AMERLING – „Ketchup is aus“

Die sechs Niederösterreicher, die sich auf ihrer kürzlich erschienen CD „Ketschup is aus“ (Eiffelbaum Records) geschmeidig musikalisch im Dialekt austoben, liefern den ersehnten Beweis, dass man auch mit mehr als vier Akkorden Ohrwürmer schaffen kann. Ihre Texte mit Biss treffen auf gut gespielte Tunes mit authentischem Bandsound.

Das aus Mannersdorf an der Leitha stammende Quintett und Martin Weixelbraun an der Gitarre beherrschen nicht nur das Arrangieren von jazzig-funkigen umgangssprachlichen Popsongs, sie sind sich auch nicht zu bequem, sozialkritische und somit auch politische Statements abzugeben.

Akkustik-Funk-Pop-Reggae, wie der Schnabel gewachsen ist

Christoph Amelin – seines Zeichens Textdichter, Komponist und Gitarrist – teilt sich mit Jaqueline Leier die Position des Sologesanges und Harald Fink liefert am Keyboard und Akkordeon genauso wie Martin Weixelbraun an der Gitarre weitere Harmonien zum Fundament der Rhythmusgruppe Rainer Gartner am Schlagwerk und Ralf Thenner am Bass. Der Sound ist reichhaltig und stimmig.

„In de Käpf san de Mauern ollaweu no drin“

Cover Ketchup is aus
Cover “Ketchup is aus”

Mit einer Mischung aus unpeinlich getexteten Trennungsliedern und Lyrics à la „Genieße das Jetzt“, einem gefühlvollen Lied über gutes Vatersein und dem titelgebenden Song, wenn das Ketchup aus der Beziehung raus ist (im Swing), beschäftigt sich das Ensemble thematisch mit den gesellschaftlichen Absurditäten des Homo sapiens beiderlei Geschlechts aus unserer „Zivilisation“.

„An am Tog woins, dass er si schleicht, und am andern woins eam integriern“

Zynische Bilder liefern nicht nur Titel wie „Ruine am scharfen Eck“ (über den Arbeitsmarktwertverlust von älteren Menschen), „Wetter in da Türkei“ oder scharlachrote Liebesversprechen bis auf Widerruf. Wer die Sehnsucht kennt, dem ist sogar ein zartes Wesen wie eine Gelse Inspiration für schräge Liebesmetaphorik.

„Wann immer oana foit in Berlin …

… jo dann nemma ma de söbn Ziaglstana und mir stöns wieder auf mittn in Wien“ finde ich einen erschreckend guten Ausdruck eines Songtextes, der einem Kind erklärt, wie unsere Welt „funktioniert“. Besonderes Augenmerkt verdient darüber hinaus Jaqueline Leiers Stimme. Diese klingt nicht nur wunderschön, die Künstlerin besitzt die seltene Gabe, einen ganz direkt zu berühren und zu packen, wie eine Bill, eine Denk oder eine Windhager, z. B. im Lied „Irgendwaunn“.

Das neue Album zeugt von großem musikalischen Können und Textertalent, ist vielseitig und sich nicht zu schade, über den Tellerrand zu schauen.

Alexandra Leitner

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