Ambient aktuell – Werner Raditschnig im Porträt

In klassischen Konzerthäusern trifft man den in Salzburg lebenden Werner Raditschnig eher selten an. Zumeist arbeitet im Kontext mit Bildender und Medien-Kunst und tritt mit konzertanten Klangarchitekturen bzw. -installationen öfter in Galerien und Museen auf. Das steht auch in Wechselwirkung zu seinem Instrumentarium. So hat der gelernte Gitarrist, nachdem er auf Tischgitarre umgestiegen war, ein Gerät entwickelt, das er Polychord nennt, weil es ähnliche, aber eben erweiterte Funktionen eines Monochords aufweist.

„Mit diesem Instrument ist keine Musik im engeren Sinn möglich“, erläutert Raditschnig im mica-Gespräch mit Andreas Fellinger. „Das Polychord hat maximal sechs Funktionen, so klingt es wie ein ethnisches Instrument“, das eigentlich wie Perkussion zu spielen sei. Im Stück namens Fettflächen bildet er damit 1997 zwei stehende, mit Zugfeder verbundene Klangsäulen, die auf eine immerhin 23 Meter lange Partitur zurückgreifen. „Mein Ziel war es unter anderem, das Spiel als Gitarrist zu verlassen“, sagt Raditschnig. Sohin, in Anlehnung an einen Houellebecq-Roman, um eine Ausweitung der Klangzone.

Ähnlich stellt sich der Klangplatz dar, mit dem er im Wiener MAK und im Warschauer Herbst vertreten war, nur dass dafür drei Klangsäulen errichtet werden und dazu zwei E-Gitarren aufgehängt werden. Als Hintergrund dafür nennt Raditschnig die Umformung von Material, in dessen Denaturierung,  wie sie etwa in früher Elektronik von Pierre Schaeffer gang und gäbe war oder auch bei Mauricio Kagel und Alvin Lucier.

Lange Jahre betreibt Werner Raditschnig mit dem Salzburger Perkussionisten Gerhard Laber das Duo Tauto. Mit seiner speziellen Ausformung gebundener Improvisation gastiert das Duo u.a. bei Festivals in Ulrichsberg und Nickelsdorf, aber auch in Frankreich und Mexiko. Erst später wird für Raditschnig die Musiktheaterlinie wichtiger. So arbeitet er aktuell für eine Salzburger Auftragsarbeit, die 75 Jahre Bücherverbrennung zum Thema hat und in der Raditschnigs Musik aus fahrenden Lautsprechern auf Schauspiel und Tanz trifft. Zuletzt, im November des Vorjahrs, bringt er für die Internationale Paul  Hofhaymer Gesellschaft das Stück Rom, Analyse einer Zertrümmerung in Kooperation SängerInnen und SprecherInnen zum Klingen.

Als weiteres Beispiel großformatiger Klanginstallation nennt er seine Arbeit mit der Lichtkünstlerin Victoria Coeln, mit der er im Mozartjahr 2006 eine 12-Kanalton-Collage von Frauenfiguren aus Mozartopern anfertigt. Dieses Stück ist – freilich ohne Coelns Lichtkunst – auf der ein_klang-CD mit dem hübschen Titel Frauen 06 dokumentiert. Und fürs nächste Vorhaben hat Werner Raditschnig wieder Gerhard Laber an Bord – eine Arbeit für die Aspekte Salzburg, in der Material US-amerikanischer KomponistInnen zu einer Suite auf verschiedenen Arbeitsfeldern collagiert bzw. umgeformt wird.

So entstehen in der Arbeit von Werner Raditschnig mehrheitlich Klangskulpturen, die weit über die Ausschließlichkeit von Musik hinausragen, etwa auch in seinen Überspielungen von sardischen Osterchören, in denen Klänge von Museen, Kathedralen, Straßen u.ä. zu einem aktuellen Ambientbegriff führen. „Was mich immer interessiert“, so Raditschnig, „ist dieser Missing Link zwischen Konzert und Ambient“, sohin zwischen Musik und Umgebung. „Nur mit Laptop zu arbeiten, wäre für mich keine Thema. Aus meiner Sicht braucht es die Haptik unbedingt.“
Andreas Fellinger

 

http://www.raditschnig.com