„Als MusikerIn muss man sich sein Publikum holen“: AIR-BORNE EXTENDED im mica-Interview

Mit seiner Besetzung von Harfe, Cembalo, Block- und Querflöten eröffnet das Ensemble AIR-BORNE EXTENDED ungewöhnliche klangliche Möglichkeiten. Das bisher spärliche Repertoire bauen die vier Musikerinnen ständig aus. Das Gespräch mit den Flötistinnen Caroline Mayrhofer und Doris Nicoletti führte Ruth Ranacher.

Ihr Ensemble air-borne extended hat sich aus dem Ensemble air-borne heraus gebildet. Was war der Impuls für deren Gründung?

CM: Anfang der 1990er entstand in Italien ein bestimmtes Repertoire um den Blockflötisten Antonio Politano, der sich als Autodidakt quasi in die Neue Musik geworfen hatte. Für ihn wurden Stücke von sehr guten italienischen KomponistInnen geschrieben, dazu zählen Werke von Stefano Gervasoni, Gabriele Manca und Fabrizio De Rossi Re. Im Zuge meines Studiums in Amsterdam begegnete ich diesen und dort zählten sie zum Standardrepertoire für Flötistinnen. In Österreich hingegen war dieses Repertoire noch nicht etabliert und so brachte ich es mit.

Wie lässt sich der Klangkörper von air-borne extended beschreiben?

DN: Die Besetzung mit Harfe, Cembalo, Block- und Querflöte ist einzigartig und abseits vom Mainstream. Von der Tonhöhe her ist bei air-borne extended alles dabei; bei den meisten Stücken arbeiten wir auch viel mit Stimme. Wir möchten auch hiesige Komponistinnen und Komponisten anregen, sich mit dieser Besetzung auseinanderzusetzen.

CM: Wir haben vier Querflöten und zehn Blockflöten zur Verfügung: Es beginntbei der Sopranino und geht bis zur Paetzold Kontrabassblockflöte. Das alleine steht für eine Erweiterung von unterschiedlichen Klangmöglichkeiten. Insgesamt setzt die Klangfarbe von air-borne extended bei sehr leise an, und geht bis forte. Air-borne extended bedeutet jedenfalls nicht automatisch ‚zart‘ oder gar ‚säuseln‘.

Im aktuellen Stück von Bernhard Lang ist mit der elektronischen Orgel außerdem ein weiteres Blasinstrument dabei. Für dieses Programm hatten wir überlegt, die Paetzold Kontrabassblockflöte einzusetzen, da Lang ursprünglich eine Oktave tiefer ansetzen wollte. Mit seinem Einverständnis entschieden wir, dass die normale Bassflöte geeigneter ist, da sie besser zur Querflöte passt.

Kammermusik und Gesten

Wie haben Sie als Ensemble zusammen gefunden?

DN: Zuerst bin ich für eine schwangere Kollegin bei air-borne eingesprungen und habe ein paar Konzerte für sie übernommen. Mit mir als Flötistin hat sich aus der Zusammenarbeit und der Ausrichtung des Repertoires air-borne extended ergeben. Air-borne gibt es weiterhin als Ensemble, auch die Kollegin spielt wieder mit. Mit air-borne extended spielen wir viele Werke von den italienischen KomponistInnen oder arrangieren einzelne Stücke für unsere Besetzung. Die Stücke, die Caroline Maryhofermitgebracht hat, bilden unseren Grundstock und darauf bauen wir auf. Bei dem Konzert im IZZM Klagenfurt bringen wir außerdem ein neues Stück von Bernhard Lang zu Uraufführung.

CM: Parallel dazu haben wir ein zweites Programm entworfen, das sich derzeit in der Einreichphase befindet. Eine Vorgabe der Ausschreibung ist: Gestik. Hier wird auch die visuelle Komponente mitbedacht, die das Publikum ansprechen soll. Manuela Kerer notiert hier in einem Stück die Mimik für drei Personen – wie Lächeln und nicht Lächeln. Ein anderes Stück innerhalb dieses Programms arbeitet wiederum stark mit Gesten zwischen den einzelnen musikalischen Parts.

Man kann auch Laienpublikum für Neue Musik begeistern

Verträgt das die Kammermusik?

DN: Eindeutig ja! Durch das Ausprobieren neuer Stilmittel oder die Anlehnung an weitere Kunstsparten kann die Neue Musik auch von dem Elitären etwas Abstand nehmen. Es ist damit möglich, an kleineren Orten und vor einem Publikum zu spielen, das nicht ausschließlich auf Neue Musik spezialisiert ist. Konzerte Neuer Musik finden oft vor wenig Publikum statt. Persönlich finde ich, dass man das nicht einfach hinnehmen kann. Als MusikerIn ist man auch dafür verantwortlich, sich Publikum zu holen und es auch abzuholen. Neue Musik setzt viel Hörerfahrung voraus. Ich glaube aber sehr wohl, dass man auch Laienpublikum begeistern kann, wenn man die HörerInnen begleitet. Dabei geht es auch darum, dass sich die Neue Musik weiterbewegt und weiterlebt. Für mich ist Kammermusik immer Dialog. Gerade bei Stücken, die man nicht metrisch durchzählen kann, basiert das Zusammenspiel darauf. Das erfordert auch das große Pensum an Arbeit, und genau das macht es interessant.

Wie entstand die Zusammenarbeit mit Bernhard Lang?

DN: Für uns als junges Ensemble ist es gut, einen etablierten Komponisten im Repertoire zu haben. 2013 spielte ich bei den World New Music Days mit dem Ensemble Platypus Kurzopern, eine darunter war von Bernhard Lang. Das war auch die Zeit, als wir zu überlegen begannen, welchen Komponisten oder welche Komponistin wir um eine Uraufführung anfragen könnten. Letztendlich gefiel Bernhard Lang unser Vorschlag und die Besetzung war auch für ihn neu.

CM: Lang hatte sich zuvor die Klangbeispiele auf unserer Webseite angehört und sich für die Zusammenarbeit entschieden. Innerhalb eines Monats wurde „Monadologie XXIX London in the rain“ für air-borne extended geschrieben. Das Konzert in Klagenfurt war bereits zugesagt und so bot es sich für uns an, dort eine Uraufführung zu spielen.

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Konventionen auflösen

Wie gehen andere KomponistInnen mit der Besetzung um?

CM: Bei „Conduites d´approche“ von Gabriele Manca geht es um den Versuch von vier Personen, sich einander anzunähern. Manca montiert dazu die einzelnen Notenteile so, dass die Zeitintervalle zueinander immer leicht versetzt sind und man sich – gewollt – verpasst. Die Annäherungen zerbröckeln. Auch bei Ned McGowan verschieben sich die einzelnen Parts.

Gibt es ein Feld, in das sich air-borne extended musikalisch weiter hineinbegeben möchte?

DN: Aktuell decken wir mit unserem Programm schon eine gewisse Vielfalt ab. Wir sind offen für unterschiedliche Richtungen, was noch kommt, wird sich zeigen. Mich interessieren vor allem Konzertformate, die sich vom Konventionellen wegbewegen und das Frontale auflösen.

CM: Mit der elektronischen Orgel bei Bernhard Lang beginnt es bei air-borne extended allmählich, dass wir vier in Zukunft auch etwas Verstärktes machen. Stücke mit Elektronik waren bisher beim Ensemble air-borne angesiedelt. air-borne hat auch dadurch eine andere Klangfarbe als air-borne extended. Technisch bin ich da dank vorhandenem Equipment unabhängig. Meine Erfahrung zeigt dabei, je mehr Personen verwaltet werden müssen, desto herausfordernder wird es. Zur Abwechslung programmiere ich gerne ein Werk für Elektronik solo dazu. Auf diese Weise geben wir auch bei air-borne ein Programm mit einem Solostück von Caroline Profanter, das etwa am 29. Oktober beim Festival für zeitgenössische Musik in Bozen zur Aufführung kommt.

Foto: Nevena Tsvetkova

http://www.caroline-mayrhofer.net/neue-musik/airborne-extended/