EVA FURRER, Flötistin des KLANGFORUMS WIEN und Solistin, hat mit Yoga nicht nur ihr Burn-out bewältigt, sondern wieder zu ihrem Körper und ihrem Spiel gefunden. Wie ihr das geglückt ist und was für sie das Essenzielle am Musizieren ist, erzählte sie Teresa Schwind im mica-Interview. Von ihrer Erfahrung in beiden Bereichen können auch die Musikerinnen und Musiker gewinnen, die ihren Unterricht besuchen – sei es im Lehrgang „Performance Practice in Contemporary Music“ des KLANGFORUMS WIEN an der KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ oder bei der IMPULS-AKADEMIE, die im Februar ebendort zum elften Mal stattfindet.
Sie sind seit 2009 ausgebildete Yogalehrerin. Was verbindet für Sie Yoga mit der Musik?
Eva Furrer: Yoga ist ein guter Ausgleich zum Beruf als Musikerin, eine Methode zur Prävention und Therapie von musikerspezifischen physischen Problemen und Stresskrankheiten.
Durch Lu Jong, tibetisches Heil-Yoga, bin ich in einer schwierigen Burn-out-Phase meines Lebens wieder mit mir selbst in Berührung gekommen. Aus destruktiven Gewohnheiten herauszufinden und zu bemerken, dass nicht nur die Flöte, sondern auch mein Körper ein Instrument ist, verdanke ich der veränderten Wahrnehmung und dem Bewusstwerden dessen durch die wertvollen Körper- und Atemübungen des Lu Jong. Beim Flötespielen trenne ich nicht mehr zwischen Körper, Atem, Geist und Flöte.
„Es fasziniert mich, über den Intellekt erfahren zu können, wie wir funktionieren, um dann zu versuchen, die eigene Einstellung zu den Dingen zu ändern.“
Sie praktizieren Lu Jong, diese Yoga-Form stammt aus der Praxis des tibetischen Buddhismus.
Eva Furrer: Lu Jong ist eine uralte Praxis, die in der tibetischen Medizin und dem tibetischen Buddhismus wurzelt. Sie löst Blockaden auf der physischen, geistigen und energetischen Ebene. Diese Bewegungspraxis verhilft uns zu mehr Gesundheit, innerer Ruhe und Ausgeglichenheit.
Lu Jong ist vor allem für Musikerinnen und Musiker gut anwendbar, weil man mit einer täglichen Praxis von zwölf bis 20 Minuten, die sich etwa auf die Wirbelsäule konzentriert, großen Nutzen und Wohlbefinden erreicht. Es handelt sich um eine dynamische Form von Yoga, die dem Musizieren ähnelt. Der Körper ist das Instrument.
Buddhistinnen und Buddhisten sind nicht auf den Mond geflogen und haben nicht mikroskopisch kleine Teilchen untersucht, sondern sie haben unseren Geist und unsere Emotionen studiert – und das über Jahrtausende. Es handelt sich dabei um ein enormes Wissen, das in sich immer ein logisches Konzept ist. Es fasziniert mich, über den Intellekt erfahren zu können, wie wir funktionieren, um dann zu versuchen, die eigene Einstellung zu den Dingen zu ändern. Diese Erkenntnis war für mich der Weg aus meinem Burn-out.
Ich kann mir vorstellen, dass es für viele Musizierende, vor allem für jüngere, nicht unbedingt naheliegend ist, Yoga mit der eigenen musikalischen Ausbildung zu verbinden.
Eva Furrer: Ich denke, in diesem Bereich hat sich vor allem im letzten Jahrzehnt sehr viel getan. Die ÖGfMM [Österreichische Gesellschaft für Musik und Medizin; Anm.] bietet nicht nur Veranstaltungen, Austausch, Beratung und Hilfe, sondern sogar einen Zertifizierungslehrgang für Musikphysiologie an. Yoga ist eine von vielen Methoden, die sich zur Prävention von musikerspezifischen Erkrankungen eignen. Problematisch finde ich jedoch das überfordernd dichte Programm der Studierenden. Der damit verbundene Druck, schnell und viel lernen zu müssen, steigt, woraus ein Gefühl entsteht, in einem ständigen Konkurrenzverhältnis zu stehen. Zeit, um Neugier zu entfachen, in die Tiefe zu gehen, inne zu halten und nachzuspüren, ist nahezu nicht mehr möglich.
Die Spielfreude und ein Glücklichsein im Musizieren zu finden, eines, das nicht nach außen oder von außen bestimmt und definiert ist, finden kaum noch Platz.
Auch wenn sich meine primäre Aufgabe an Universitäten und in Kursen auf Spieltechniken und die Vermittlung von zeitgenössischer Interpretation beschränkt, ist es mir wichtiger als alles andere, zu „ent-stressen“, Freude am spielerischen Umgang mit dem Instrument und der Musik zu entfachen.
„Ich glaube, wenn man eine gute Verbindung zum eigenen Instrument hat, dann hat man 90 Prozent der Dinge in der Hand.“
Also den eigenen Weg zum Instrument zu finden?
Eva Furrer: Zu sich selbst und dem Instrument. Ich glaube, wenn man eine gute Verbindung zum eigenen Instrument hat, dann hat man 90 Prozent der Dinge in der Hand. Eine wirkliche Verbindung ist wie eine Beziehung. Ein Geben und Nehmen. Drücke ich die Flöte oder presse ich sie, so klingt der Klang forciert. Gebe ich den Klang dagegen frei, dann ist das etwas komplett anderes. Es geht um den Klang, die Klangdefinition und die Klangidentifikation. Ich verliebe mich in meinen Klang. Klang ist Energie. Energie ist auch der Atem, der sich ändert, sobald ich mich wohlfühle und freudig bin, oder eben nicht.
impuls, die Internationale Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik 2019, findet heuer zum elften Mal statt. Sie sind Mitbegründerin und Dozentin von impuls …
Eva Furrer: Mitbegründerin hört sich jetzt einmal groß an und stimmt nur bis zu einem gewissen Grad. Ich war damals mit Beat Furrer verheiratet, dem Gründer von impuls. Und wir hatten gute Leute wie etwa Primavera Gruber und später Ute Pinter, die uns geholfen haben, das alles auf die Beine zu stellen.
Wie wird Ihr Programm für die nächste impuls-Ausgabe aussehen?
Eva Furrer: Mit zwölf Flötistinnen aus der ganzen Welt arbeite ich an frei gewählter Solo-Literatur für Flöte, nebst neuen Spieltechniken und Vorbereitung für Kammermusik und Ensemblespiel.
Generell ist das Programm der Akademie immer sehr dicht und intensiv. Das versuche ich, mit der morgendlichen Yoga-Stunde ein bisschen auszugleichen.
Den Schwerpunkt der Yoga-Praxis lege ich dieses Jahr auf das Meditieren, wo man lernen kann, stille Zeitfenster für sich zu kreieren. Ich bin gespannt, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das annehmen werden.
Bei der impuls-Akademie soll den Teilnehmenden ein ganzheitlicher Zugang zu zeitgenössischer Musik vermittelt werden, und zwar sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. 2009 wurde vom Klangforum an der Kunstuniversität Graz der Masterstudium „Performance Practice in Contemporary Music“ kreiert.
Eva Furrer: Ich finde es großartig, dass die Kunstuniversität Graz dem Klangforum als Ensemble eine Plattform bietet, sein Wissen weitergeben zu können, und es ihm erlaubt, in Eigenverantwortung ein Studium für die Studierenden zu kreieren.
Erstaunlich ist es, dass nur wenige Österreicherinnen und Österreicher Interesse zeigen. Österreich hat den internationalen Ruf, ein eher traditionsbehaftetes Land zu sein. Das finde ich schade, weil wir da schon längst woanders sein könnten. Es gibt Berührungsängste, das Bedürfnis, sich zu schützen, seien es die Instrumente, die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten oder sei es die Tradition. Was absurd ist, weil wir die Tradition durchaus schätzen. Fast jedes Klangforum-Mitglied kommt aus der Tradition, hat ein klassisches Studium absolviert und sieht das klassische Spiel als Basis der Weiterentwicklung.
„[…] wir sehen es nach wie vor als unsere Aufgabe, Ungehörtes gehört zu machen.“
Apropos Tradition. Auf der Homepage des Klangforums steht: „[…] das Klangforum möchte durch seine Veranstaltungen zur Verbesserung der Welt beitragen.“ Wie kann Musik die Welt verbessern?
Eva Furrer: Als Künstlerin geht es gar nicht ohne Austausch oder Weltoffenheit. Ich glaube, dass man durch Kultur, Kulturgut, Kulturvermittlung, also durch Bildung in diesem Sinne, die Welt verändern kann. Ohne die Vielfalt und ohne den Austausch wäre das Klangforum sicher nicht das, was es ist; in diesem Ensemble spielen Menschen verschiedenen Geschlechts, verschiedener geschlechtlicher Neigungen, verschiedenster Herkunft.
Zu Beginn haben wir vor zwölf Leuten im Schubert-Saal im Wiener Konzerthaus gespielt, mit beinahe mehr Leuten auf der Bühne als im Publikum. Damals war unsere Aufgabe vielleicht auch eine andere als heute, es ging darum, etwas zu etablieren. Das Klangforum kämpfte ums Überleben, um Anerkennung. Wir wollten die Neue Musik etablieren und zu Gehör bringen. Wir haben innerhalb eines Systems viel erreicht. Heute spielen wir unser Zyklus-Programm im ausverkauften Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses. Vielleicht weil wir hinter dem stehen, was wir tun, weil wir es gerne und gut tun. Wir haben eine Riesenfreude daran, miteinander zu musizieren, und wir sehen es nach wie vor als unsere Aufgabe, Ungehörtes gehört zu machen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Teresa Schwind
Links:
Klangforum Wien
impuls
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Eva Furrer (music austria Datenbank)
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