„ALS KINDER DER ALPEN GIBT ES SCHON EINE GEWISSE FASZINATION FÜR DAS THEMA ‚KRAMPUS’“ – MICA-INTERVIEW MIT CHRISTIAN PRÄAUER (KRANKHEIT)

Die 2011 in St. Johann im Pongau gegründete Band KRANKHEIT gehört mit ihrem Mix aus eindringlichen deutschen Texten, gepaart mit metallischer Härte und spitzfindigen Klassik-Anleihen aktuell zu den wohl spannendsten Acts im Dark-Metal-Genre. Schon früh gelobt wegen ihrer „vollkommen eigenständige Songs, die sämtliche Kategorisierungsgrenzen sprengen“ (Orkus Magazin) legen sie nun nach den Alben „Sanatorium“ (2013), „Saat des Bösen“ (2016) und „Zerberus (2018) mit „Gargantua“ (veröffentlicht auf dem italienischen Label WormHoleDeath) ein vom französischen Renaissance-Schriftsteller François Rabelais inspiriertes Album über die Abgründe des menschlich Allzumenschlichen zwischen Groteske, Trauerspiel und barocker Allegorie vor. Für mica hat sich Didi Neidhart mit Sänger Christian Präauer zum Gespräch u.a. über den Krampus als alpine Pop-Kultur sowie Paul Watzlawick als Dark Metal-Inspiration getroffen.

Wie kam es 2011 eigentlich zur Gründung der Band Krankheit?

Christian Präauer: Angefangen hat alles eigentlich als Tony (Gassner) seine damalige Band Stilles Wasser aufgelöst hat und nach Bandmitgliedern für eine Gothic-Rock-Band suchte. Als Kunde seines Shops wurden mir Flyer dafür in die Hände gedrückt. Dilettantisch habe ich mich als „Sänger“ angeboten. Begründet auf meiner tiefen Stimme. So kam eines nach dem anderen und wir begannen die verschiedenen Einflüsse, die Krankheit haben sollte, Stück für Stück zusammenzutragen.

War da die aktuelle Stoßrichtung bzw. das optische Erscheinungsbild auch schon klar? 

Christian Präauer: Jein. Am Anfang wollten wir eine Art Cover von Mozarts „Vogelfänger“ aus dem Stück „Die Zauberflöte“ machen, welches dann als eine Art Symbiose in Form des ersten Songs „Menschenfänger“ endete. Wir haben dann daraus eine Art Stil entwickelt und das Ganze dann mit Gitarren und Industrial-Sounds vermischt. Das „Corpsepaint“ mit den Adern und die Entwicklung des Bühnenoutfits ergab sich dann über die Zeit.

„Man muss dranbleiben und Zeit haben.“

Wie verlief der doch eher kurze Weg von der Bandgründung in St. Johann im Pongau zu einer Fixgröße in der deutschsprachigen Dark Metal-Szene? Ist das das Ergebnis von viel Klinkenputzen oder konzentriertem Anschreiben spezieller Labels?

Christian Präauer: Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Als „Größe“ hätten wir uns selbst nie bezeichnet, aber als mir ein Musiker Kollege der Band Lord Of The Lost, welche gerade mit Iron Maiden auf Tour waren, beim „Castle Rock Festival“ mitteilte, dass er uns schon auf dem Schirm hatte, wurde mir das schon etwas bewusster. Wir waren fleißig, haben Konzerte von anderen Bands besucht, uns vor Ort vorgestellt und immer wieder Leute angeschrieben. Die ersten Konzerte, wo es zum ersten Mal Richtung Tour gegangen ist, waren damals 2015. Man muss dranbleiben und Zeit haben. Erst wenn man dann mal drinnen ist, kann man versuchen, Klinken zu putzen. Labels haben da eigentlich keine große Rolle gespielt, weil die in der Metal bzw. Schwarzen Szene erst ab einer gewissen Größe was beim Booking zu sagen haben. Kleinere Labels halten sich da sogar oftmals gezielt raus.

Könnt ihr von der Musik eigentlich leben?

Christian Präauer: Nein, wir können von unserer Musik nicht leben. Wir haben aber fast alle etwas mit Musik in unseren Jobs zu tun. Tony arbeitet in seinem Metal-Shop und ich bin Grafiker bei Napalm Records. Musik ist also immer in irgendeiner Form Teil unseres Lebens.

Ihr werdet ja als Dark Metal-Band bezeichnet. Wird der Begriff gegoogelt erscheinen jedoch vor allem Bilder von Black Metal-Acts. Wie würdet ihr eure Musik bezeichnen und z.B. von Black Metal unterscheiden?

Christian Präauer: Es ist immer schwer sich musikalisch einzuordnen. Ich finde folgende Beschreibung sehr treffend und denke, da passen wir sehr gut hinein. Dark Metal greift ja Einflüsse aus Black Metal, Gothic Metal, Death Metal, Doom Metal sowie teilweise auch aus den als Schwarze Musik oder Dark Music bezeichneten Genres der Schwarzen Szene, z. B. der Neuen Deutschen Härte, auf und ist damit nicht klar definiert. Deshalb können ihm einige Bands zugeordnet werden, die nur geringe musikalische Gemeinsamkeiten haben. Häufig spielten diese Bands vorher Musik, die sich leicht einem der zuvor genannten Genres zuordnen ließ, und näherten sich im Laufe der Zeit dem Dark Metal an. Er ist somit für uns eine Art Grauzone, wo wir uns trotzdem mit verschiedensten Spielarten, quasi frei bewegen können.

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Vor fast genau 40 Jahren wurde im Sommer 1982 in London der legendäre Club „The Batcave“ eröffnet, der gemeinhin als eine der „Brutstätten“ für Gothic, Dark Wave und die sogenannte „Schwarze Szene“ gilt. Trotz allen Unkenrufen gibt es (nicht nur in Zeichentrickserien wie „South Park“) immer noch „Goth Kids“ und auch Genres wie (Emo-)Trap sind stark davon beeinflusst. Woran liegt für euch die Faszination dieser Gothic Culture?

Christian Präauer: Als ich um die 16 war, war es noch eine Art Zuflucht, um sich vom Mainstream abzugrenzen. Damals wusste ich aber noch nicht viel von den Querverbindungen und auch den unterschiedlichen popkulturellen Einflüssen. Mein Musikgeschmack war immer unterschiedlich. Ich mochte elektronische Geschichten, aber auch Metal und seine Gitarrenwände. Als Kind der 1990iger waren es eben Rammstein, Marilyn Manson, Slipknot und Korn usw., die einen da begleitet haben. MTV, Viva und dergleichen spielten noch eine Rolle. Irgendwann verschwamm das bei mir mit Gothic, Post Punk und eben Dark Wave der 1980iger. 

„Ich weiß gar nicht ob die Jugend von heute sich so in der Musik sucht.“

Was reizt an der Mischung aus Metal und Gothic/Dark Wave? Oder ist das einfach ein (wenn nicht der) Soundtrack, der das aktuelle Weltgeschehen am besten abbildet?

Christian Präauer: Naja, es mutet schon alles etwas nach zweitem „Kalten“, leider mittlerweile heißem Krieg an. Bzw. er findet leider noch immer statt. Das Thema atomare Waffen lässt die 1980iger leider in einem schlechten Kontext wieder aufleben. Ich weiß gar nicht, ob die Jugend von heute sich so in der Musik sucht, wie ich oder deine Generation das damals gemacht hat. Das sieht heute viel mehr nach der Suche nach der eigenen höchst individuellen Identität aus, anstatt einer kollektiven Gruppe, wie zum Beispiel den „Goth Kids“, der man angehören möchte. Für mich bildet eher das Überangebot und die Überladung von allem das aktuelle Weltgeschehen am besten ab. Man weiß gar nicht, wo man als erstes hinsehen sollte und überall bröckelt es. Es ist aber die Mischung, wo ich mich nach wie vor am wohlsten fühle.

Ich habe euch 2015 durch das Video zum Song „Krampus“ kennengelernt. Kurz danach brachte US-amerikanische Regisseur Michael Dougherty, der zuvor schon die Drehbücher zu „X-Men 2“ und „Düstere Legenden 3“ verfasst hat, die Horrorkomödie „Krampus“. Scheinbar lag das Thema in der Luft. Wie seid ihr auf die Idee zu einem Song über den Krampus gekommen?

Christian Präauer: Als Kinder der Alpen gibt es schon eine gewisse Faszination für das Thema „Krampus“ und wir waren auch immer bei den sogenannten Krampus-Läufen dabei. Jedoch fanden wir immer, dass die Musikauswahl nicht sehr passend war. Deshalb haben wir dieser Figur einen Song gewidmet. Dass kurz danach der Film kam, war Zufall. Ich habe den Song auch für den Soundtrack an Universal geschickt. Als ich den Film jedoch gesehen habe, verstand ich warum wir keine weitere Rückmeldung erhalten haben. Ich persönlich mag den Film aber sehr. Er hat teilweise mehr von der Herkunft dieses Brauchtums in sich, als die Verfechter dessen zugeben würden.

Eure Musik ist voll von diversen Einflüssen auch aus dem (ländlich-alpinen) Brauchtum mit alle seinen Sagen und Legenden. Mir kommt das aber weniger als Bezüge auf ein angeblich „ursprüngliches“ Brauchtum vor, sondern als Spiel mit etwas, was eher Teil von Pop-Kultur ist. In den USA gibt es ganze Blogs, die sich mit fasziniertem Schaudern dem „wilden“ Treiben rund um Krampusse und Perchten in unseren Breiten widmen. Würdet ihr sagen, ihr habt auch eher einen pop-kulturellen anstatt eines anthropologischen Blicks auf solche Sachen?

Christian Präauer: Richtig. Diese Geschichten und Erzählungen haben für uns einen gewissen Reiz und die Themen stehen uns einfach gut, durch unser groteskes Auftreten und der Musik, die wir machen. Aber alle diese Geschichten kommen eher aus einem heidnischen, naturverbundenen Kontext. Warum das dann als „christliche Abendlands Kultur“ gefeiert wird, ist mir selbst nicht ganz klar. Wir nehmen, was uns gefällt, und wie du schon erwähnt hast, spielen dann damit. 

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„Der Anspruch ist immer im besten Fall die Gedanken der Hörer*innen anzukurbeln und etwas zu verursachen.“

Den aktuellen Albumtitel „Gargantua“ habt ihr aus Romanen von François Rabelais entnommen, der im 16. Jhdt. damit einen unersättlichen Riesen porträtierte, der sich „in Gier und Gefräßigkeit über das Volk erbricht und eine Persiflage dessen abbildet“. Songtitel wie „Des Kaisers neue Kleider“, „Neid“, „Müll“ zeigen in eine ähnlich gesellschaftskritische Ausrichtung. Wie sehr ist das Album von aktuellen Geschehnissen geprägt und was ist euer Anspruch, wenn ihr Themen wie Gier, Umweltverschmutzung, Unsocial Media, etc. als Band angeht?

Christian Präauer: Wir haben mit „Gargantua“ schon vor ca. vier Jahren begonnen, ohne zu wissen, was uns ab 2019 noch so alles erwarten wird. Inhaltlich bestimmt von Ereignissen und Themen, die uns gerade beschäftigen. Dass es nach diesen mittlerweile fast drei sehr prägenden Jahren so den Nagel auf den Kopf trifft, hatten wir so nicht auf dem Schirm. Der Anspruch ist immer im besten Fall, die Gedanken der Hörer*innen anzukurbeln und etwas zu verursachen. Ob sie mit diesen Gedanken dann etwas machen, steht Ihnen (zum Glück) frei.

„Ein Text ohne doppelten oder mehrfachen Boden, ist nur eine Meinung.“

Wie wichtig sind dabei prägnante, fast sloganhafte Texte, die aber dennoch nicht zu eindeutig sind?

Christian Präauer: Ein Text ohne doppelten oder mehrfachen Boden ist nur eine Meinung. Propaganda. Wenn es keine Möglichkeiten mehr gibt, falsch verstanden zu werden, passt meiner Meinung nach etwas nicht.

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Im Song „Kommunikation“ zitiert ihr im Refrain den berühmten österreichischen Philosophen, Psychotherapeuten und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick und dessen berühmten Ausspruch „Man kann nicht nicht kommunizieren!“. Jetzt mal ganz blöde gefragt: Wie kommt Paul Watzlawick in einen Dark Metal-Song?

Christian Präauer: Weil es passt. Ein Text über Sprache schwebte mir schon lange im Kopf, aber wie angehen, war die Frage. Ich habe dann ein Buch über sogenannte „Verbrannte Wörter“ gelesen, also über Wörter, die von den Nazis zweckentfremdet wurden. Wir wissen gar nicht, wie viel wir von dieser Sprache noch im Alltag benutzen. Watzlawick hatte ich noch von meiner Ausbildung als Grafik und Kommunikations–Designer im Kopf. Ja, so hieß das damals. Ich dachte mir das passt. Entscheidend ist, ob und wo man den Beistrich in dieser Aussage setzt.

Euer Erscheinungsbild ist geprägt von Kostümen und Masken. Gerade im Metal-Bereich gibt es hier ja eine lange Tradition (Kiss, King Diamond, Misfits, G.W.A.R., Lordi, Slipknot, Dimmu Borgir, etc.). Wie seid ihr auf die Idee gekommen euch komplett zu maskieren?

Christian Präauer: Das hat sich eigentlich auch irgendwie ergeben. Ich wollte mich immer schon auf der Bühne „darstellen“ und kostümieren. Am Anfang war es noch vom Barock angehaucht. Simpel mit Kontaktlinsen. Bis dann Stück für Stück eine Art „Corpsepaint“ daraus wurde. Als wir dann 2012 in die bis heute fixierte Position des Trios gekommen sind, war es naheliegend, die Adern mit den drei Affen des japanischen Sprichworts, „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ zu verbinden. Ab dem Song „Krampus“ haben wir dann noch extra angefertigte Bühnenoutfits bekommen, welche dem Bild des Krampusses entsprechen. Wir fanden das passend und seitdem fahren wir in diesen Gewässern.

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Das Theatralische, der Pathos und das Rollenspiel kennzeichnen vor allem auch eure Live-Auftritte und die Videos. Mich würde jetzt mal interessieren, welche Freiheiten dadurch entstehen. Seh ich euch bei den einzelnen Songs dann eher als Darsteller/Schauspieler oder doch als Musiker?

Christian Präauer: In Wahrheit entstehen mehr Verpflichtungen. Wir könnten niemals ungeschminkt auf die Bühne. Für mich waren immer Bands interessant, die einen roten Faden haben und eine Geschichte erzählen. Viele davon werden dann auch optisch untermauert. Zum Beispiel Marilyn Manson, Slipknot, Rammstein, Alice Cooper, David Bowie usw. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Von daher würde ich das auch in unserem Fall nicht trennen. Wir sind alles in einem. Es ist ein Gesamt-Spektakel. Wenn du ein Jazz-Konzert hören willst, hast du bei uns definitiv nichts verloren.

Wie sichert ihr euch dabei vor der Gefahr ab, ins Parodistische oder in der Persiflage abzugleiten?

Christian Präauer: Durch eine immerwährende Ambiguität. Wir sind (so sagt man uns) eigentlich sehr bodenständige Menschen. Und so verhalten wir uns auch fernab der Bühne. Man darf sich auch nie zu ernst nehmen. Während die Persönlichkeiten auf der Bühne etwas ganz anderes zeigen und eine andere Seite von uns darstellen. Es ist eine Dualität. Es gibt beides. Wer behauptet, nur eines davon ganz zu sein, läuft Gefahr nicht ernst genommen zu werden. Nur wenn man auch mal über etwas lachen kann, hat man den Ernst der Lage begriffen.

Weil es auch immer wieder in der Presse ein Thema ist: Was unterscheidet euch von Rammstein?

Christian Präauer: Wir sind definitiv aggressiver, dreckiger und haben weniger Sex in unseren Musikvideos… Aber Spaß beiseite. Für einen Großteil ist man immer in der Rammstein-Ecke. Deutsche Texte, harte Gitarren, fertig. Der Teufel steckt im Detail. Während Rammstein Gefahr läuft, immer gefälliger zu werden, haben wir noch ein paar Ecken und Kanten.

Ihr habt immer schon viele Zitate aus der klassischen Musik verwendet. Auch auf dem aktuellen Album greift ihr auf Stücke von Mozart, Händel, Schubert, Haydn und Bach zurück. Wieso eigentlich? Hat das etwas mit der Übermacht von Klassik in Salzburg zu tun, oder geht es vor allem um gewisse Stimmungen?

Christian Präauer: Wir mögen das. Ich wollte immer schon orchestrale Elemente dabeihaben, weil ich ein großer Fan von Musiksoundtracks dieser Art bin. Tony hört selbst sehr viel Klassik, von daher war das dann das Treffen in der Mitte. Wir haben uns aus dieser typischen Neue Deutsche Härte-Spielart noch mehr in Richtung Symphonic Metal bewegt. Aber eben in dunklerer Form. Viele Stücke haben eine gewisse Stimmung und wir wollten diese noch etwas mehr untermauern und einen neuen Stil hineinbringen. Nicht einfach nur durch bloßes Nachspielen der Akkorde, sondern gezieltes einpflanzen, als wären es komplett unsere eigenen Kompositionen gewesen.

Bild Christian Präauer Krankheit
Christian Präauer / Krankheit (c) Pressebild

Kann es auch sein, dass sich einzelne Songs gleichsam an Orten abspielen, wo Klassik gespielt wird und dann bricht hier etwas anderes herein? Also die Klassik als Soundtrack (wie oft in älteren Horrorfilmen) und eure Musik stellt dazu die eigentliche Handlung dar?

Christian Präauer: Das beschreibt sehr gut meine vorher erwähnten Gedanken. Ich höre bei diesen Stücken oft etwas anderes. Vieles davon ist dramatisch, traurig, manchmal auch etwas lustig. Für mich das beste Beispiel ist „Die Weinende“. Die „Mondscheinsonate“ von Beethoven passt so unglaublich gut zu dieser tragischen Geschichte der „Llorona“, als wäre es dafür geschrieben worden. Der Text dazu entstand aber ohne die Musik. Es stellte sich erst später heraus, dass er zufällig genau in diese Rhythmik hineinpasst. Manchmal dreht es sich auch um. Mir haben Leute schon erzählt, sie hätten einen Song von uns im Fernsehen gehört. Wobei es sich lediglich um das klassische Original handelte. Jedoch war der erste Kontakt hier über unsere Musik. Für die Verfechter der „echten“ Klassik, sind wir natürlich gerade in Salzburg ein Dorn im Auge. Aber das passt schon so.

„Nur wenn man auch mal über etwas lachen kann, hat man den Ernst der Lage begriffen.“

Wieso covert ihr ein Lied wie das „Ave Maria“ von Schubert? Geht es dabei um eine Umdichtung, Neudichtung, oder nehmt ihr den Text wortwörtlich, um gerade dadurch eine Dekonstruktion im Sinne einer Neuinszenierung zu unternehmen, oder ist es einfach eine coole Dark-Metal-Version davon?

Christian Präauer: Das Lustige an dem Song ist, dass ich beim originalen Text nur ein paar einzelne Wörter verändert habe. Für mich hat sich dann aus dem Gebet, ein Gespräch eines jungfräulichen Freiers mit seiner Hure ergeben, der sie darum bittet, ihm doch endlich seine Jungfräulichkeit zu nehmen. Was wir sehr spannend fanden. Der Song macht einfach sehr viel Spaß und bleibt trotz seiner Laufzeit, von mittlerweile unüblichen über sechs Minuten, trotzdem spannend bis zum Schluss.

Gerne wird ja gesagt, dass sich Punk weniger durch Spieltechnik als vielmehr durch eine Haltung definiert, wohingegen fast alle Metal-Spielearten schon sehr auf technisches Können setzen. Wie ist das bei euch? Gibt das Virtuosentum den Song vor, oder geht es eher um stimmige Atmosphären und weniger um solistische Artistik.

Christian Präauer: Beides. Wird man zu technisch, läuft man Gefahr zu progressiv zu werden. Was Sinn machen kann, aber das ist eben auch Geschmackssache. Bist du zu „stumpf“, wird es schnell eintönig und langweilig. Für uns macht´s die Mischung aus. Wir versuchen diese zwei Strömungen zu kombinieren. Das ist für viele auch ungewohnt, da man gerade im extremeren Metal nur sehr schwer die Texte versteht. Bei uns wiederum ist es sehr wichtig, dass man die Lyrics versteht. Das macht es dann für viele auch aus. Krankheit wird geliebt oder gehasst, dazwischen habe ich noch nichts wahrgenommen.

Bild Anton "Tony" Gassner / Krankheit
Anton “Tony” Gassner / Krankheit (c) Pressebild

Wie wichtig sind die Videos im Gesamtkonzept der Band und was hat es mit den immer wieder auftauchenden katholischen Symboliken darin auf sich?

Christian Präauer: Sehr wichtig. Natürlich merken wir immer mehr, wie Musikvideos in den Hintergrund rücken und quasi durch „Reels“ ersetzt werden. Jedoch versuchen wir, bei jedem Album im Rahmen unserer Möglichkeiten gute Videos zu produzieren. Wir werden da auch seit einigen Jahren sehr von der FH Salzburg MultiMediaArt unterstützt und bekommen so die Chance mit vielen großartigen kreativen Menschen zu arbeiten. Ich denke, das kann eine Bereicherung für beide Seiten sein. Haben wir so viele katholische Symboliken? Manchmal sind sie vielleicht bewusst, manchmal nicht. Das hängt vom Beispiel ab.

Wie sehr hat euch die Pandemie zu schaffen gemacht? Die fiel ja genau in das 10-jährigen Bestehen der Band. Zudem gab es ja auch gravierende persönliche Umstellungen.

Christian Präauer: Ich selbst habe vom Lockdown so gesehen nicht sehr viel gemerkt, da ich ja das Glück hatte weiter arbeiten zu dürfen. Andere mussten zittern, wie sie alles finanziell über die Bühne bringen. Für mich bestand die Herausforderung darin, dranzubleiben, obwohl draußen alles so gut wie stillstand. Die Tatsache, dass Anfangs weniger Leute unterwegs waren, empfand ich ehrlich gesagt als sehr entspannend. Bandtechnisch musste vieles neu geplant werden und man hatte auch noch Zeit für Experimente. Die zwei Jahre sind dann aber leider (mittlerweile auch zum Glück) nicht spurlos an uns vorbeigegangen und wir waren aufgrund von starken persönlichen Differenzen und Ansichten dazu gezwungen, uns von Roy, unserem damaligen Gitarristen, einvernehmlich zu trennen. Die Entscheidung wurde von allen Seiten abgesegnet und somit war es an der Zeit, uns neu zu orientieren. Das Album wollten wir trotzdem wie gehabt veröffentlichen und haben da auch alles Nötige und Mögliche getan, um das zu bewerkstelligen.

Was steht aktuell für die Zukunft an?

Christian Präauer: Wir spinnen bereits erste Gedanken um einen Nachfolger von „Gargantua“. Nach dem Album Release und den letzten Konzerten für dieses Jahr werden wir mal 2023 ins Auge fassen und wie sich die Lage mit den Touren entwickelt. Auf jeden Fall weiter machen. Der Weg ist das Ziel. Hinter diesem Kalenderspruch steckt sehr viel Wesentliches.

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

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