Alp Bora im Interview

Der Sänger und Gitarrist Alp Bora erzählt im Gespräch mit Alois Sonnleitner von seinen  Eindrücken im Okzident und Orient, seinen Anfängen in Wien, von Veränderungen in seinem Herkunftsland Türkei, seinen Zukunftsplänen – und davon, wie sehr das Reisen ihn prägt.

Alp Bora, du hattest, zumindest in geografischer Hinsicht, eine bewegte Jugend. In Istanbul zur Welt gekommen, bist du zuerst nach Bagdad, später nach Ankara übersiedelt. Seit mehr als 15 Jahren lebst du in Wien. Nimmst du nach so langer Zeit noch wesentliche Unterschiede zwischen den von dir erlebten Welten wahr?

Alp Bora: Ich habe meinen Hauptwohnsitz zwar in Wien, bin aber mittlerweile in so vielen Ländern unterwegs, dass ich sehr viele unterschiedliche Eindrücke mit nach Hause nehme, wodurch ich Wien bzw. Österreich besonders schätzen gelernt habe. Wien ist für mich keine Großstadt, aber auch keine Kleinstadt. Alles ist übersichtlich und kompakt. Ich profitiere auch vom hohen musikalischen Niveau und der abwechslungsreichen Musik- und Klubszene. Das Publikum muss man da auch erwähnen, das meine Musik schätzt und sehr aufmerksam ist. Ähnliche Erfahrungen habe ich natürlich auch bei den Auslandskonzerten gemacht, die mich sowohl musikalisch als auch persönlich bereichert haben. Die zahlreichen Reisen in über 50 Ländern haben mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Also nehme ich die Unterschiede zwischen den von mir erlebten Welten gerade durch das Reisen sehr bewusst wahr.

Konntest du Ende der 1990er Jahre, als du nach Wien gekommen bist, bald musikalische Kontakte schließen? Wenn ja, welche, und welche Kolleginnen und Kollegen sind dir heute die wichtigsten?


Alp Bora:
Es hat natürlich einige Jahre gedauert, bis ich mir ein Netzwerk aufbauen konnte. Neben meiner Ausbildung und Livekonzerten war ich aber sehr fleißig am Recherchieren, um andere Musiker zu kontaktieren. Erkan Ogur, Arto Tuncboyaciyan, Enver Ismailov, Otto Lechner sind die ersten Namen, die mir einfallen, die meine Musik beeinflusst haben. Außerdem kenne ich ihn zwar nicht persönlich, aber die Musik von Hubert von Goisern schätze ich sehr, weil er weltweit unterwegs war und Einflüsse von den jeweiligen Ländern mit seiner Musik gemischt hat.

Du spielst in vielen Formationen, leitest ein eigenes Trio und ein Quartett, musizierst im Istanbul Express und in deinem Ensemble Nim Sofyan und bist nach wie vor viel unterwegs. Wie geht sich das alles für dich aus, zeitlich und finanziell?

Alp Bora: In der Musikszene ist es aus mehreren Gründen sinnvoll und notwendig, mit unterschiedlichen Formationen aufzutreten. Erstens einmal ist es für meine musikalische Entwicklung sehr anregend und aufregend. Außerdem braucht man unterschiedliche Projekte. Zum Beispiel, wenn man mit einer von den obigen Formationen bei einem Klub oder Festival ein Konzert spielt, ist ein zweiter Auftritt mit derselben Formation so gut wie unmöglich, weil die Veranstalter ein vielfältiges Programm anbieten wollen. Am Anfang war’s finanziell sehr schwierig. Ich habe einige Nebenjobs angenommen und viel Straßenmusik gemacht. Mittlerweile geht es sich aus, davon zu leben.

Du interpretierst – neben griechischer, armenischer und solcher aus anderen Herkünften – mehrheitlich Musik aus Anatolien, die für ihre Schwermut, ihre Melancholie, vor allem aber durch ihre Schönheit bekannt ist. Wird das hin und wieder zum Problem, dass du  sowohl türkische als auch kurdische Lieder spielst?

Alp Bora: Vor zwanzig Jahren wäre es ein großes Problem gewesen. Es gibt sicherlich heute noch Leute, die das als Problem sehen würden. Die kommen aber erstens einmal sowieso nicht zu meinen Konzerten. Zweitens hat sich die Türkei in dieser Hinsicht in den letzten Jahren drastisch geändert. Man kapiert langsam, dass es eine Bereicherung ist, nicht eine Bedrohung. Ich selbst habe bis jetzt nirgends Probleme gehabt.

Wie sehen deine Vorhaben in der nächsten Zukunft aus, sowohl was Projekte  als auch deine nächsten Konzerte anbelangt?

Alp Bora: Ich habe ein sehr aufregendes Jahr hinter mir, wo ich allein im Mai in 30 Tagen 18 Flughäfen gesehen habe. Es war traumhaft, aber irgendwann geht es an die Substanz. Ich genieße gerade eine ruhigere Zeit mit weniger Konzerten, die hauptsächlich in Österreich stattfinden. Nach dem Sommer geht es wieder mit Auslandskonzerten in Russland, Kasachstan, Südkorea, im Iran und in der Türkei los. Neulich habe ich eine Anfrage aus Äthiopien gekriegt, was mich sehr gefreut hat, weil ich unbedingt einmal dort hinfahren wollte. Ich würde gerne heuer mein siebtes Album aufnehmen. Außerdem habe ich durch meine Reisen so viele Musiker kennengelernt, mit denen ich kooperieren möchte. Also werden wohl noch ein paar Projekte dazukommen. Ansonsten habe ich seit vielen Jahren den Traum, Filmmusik zu komponieren, und bin gerade auf der Suche nach einem Zugang zu dieser Branche.

Foto: Julia Sieder

Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.

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