ALFRED PESCHEK im 86. Lebensjahr verstorben

Er war ein innovativer Individualist und – trotz vieler tragischer Beschwernisse in seinem Leben – ein wunderbarer Spaßvogel. Am 4. Februar 2015 ist der oberösterreichische Komponist Alfred Peschek im Alter von 85 Jahren in Linz gestorben.

Der Individualist, der als klassisches „Enfant terrible“ galt, als er in den 1960er-Jahren die Linzer Musikszene mit seinen Aktivitäten durcheinanderwirbelte, und der köstliche Geschichten Erzählende, das waren nur zwei der Facetten des Alfred Peschek. In Wien mehr namentlich bekannt, denn durch seine Musik präsent, war er in Oberösterreich über die Jahrzehnte eine fixe Musikgröße, hielt dort unbeirrt durch alle Zeitströmungen und Modeerscheinungen die Fahne der Neuen Musik konstant hoch und blieb sich und seinen Überzeugungen konsequent treu.

Dem Volkssturm davonspaziert

Am 14. Mai 1929 in Linz geboren, blieb es ihm nicht erspart, in den Jugendjahren noch viele Schrecken des 2. Weltkriegs hautnah mitzuerleben. Als 15-Jähriger hatte er noch im letzten Kriegsjahr 1944/45 im Volkssturm zu dienen, wobei der zu allen Zeiten scheinbar naive Aufmüpfige gelegentlich lieber spazieren ging als in den Luftschutzbunker. Eine Flucht misslang, ein daraus resultierendes mögliches schlimmes Ende an der Front blieb ihm dennoch durch das Glück einer Beinverletzung erspart. Für kurze Zeit gelangte er sogar in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Auf manchen würden all diese Erlebnisse während des Teenageralters als traumatische Prägung für das weitere Leben gewirkt haben. Bei Peschek scheint es umso mehr das Bejahende, den Optimismus, Humanismus, Pazifismus – und die Kreativität gefördert zu haben.

Multimusikalisch aktiv

Wie eine scheinbare Entschädigung für diese Jahre ist es dem jungen Mann möglich, ab 1946 in der umfassendsten Weise mit und für die Musik zu leben. Er kann den Klavierunterricht fortsetzen, erhält Cello- und Theorieunterricht und schreibt erste Kompositionen. Ausgleich bietet ihm Sport, aber auch der ständige Begleiter Krankheit macht sich bemerkbar und einen mehrmonatigen Spitalsaufenthalt nötig. Kriegsbedingt erst mit 22 absolviert Peschek 1951 seine Matura, der sich Studien in Wien anschließen: Kirchenmusik an der Akademie, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität. Sein Doktorat erwirbt er mit einer Arbeit über die Messen von Franz Tuma. Er singt im Akademie-Kirchenchor, spielt Orgelkonzerte und tritt als Schlagwerksubstitut bei den Wiener Symphonikern auf. Mindestens so wichtig wie seine eigenen Lehrer (u. a. Johann Nepomuk David, Ernst Tittel und Hans Swarovsky) wird der Kreis um Karl Schiske, in dem er Gleichgesinnte im Einsatz für einen musikalischen Aufbruch und Innovation findet.

Oberösterreichs Musikleben aufgemischt

Nach kurzer Tätigkeit am Linzer Bruckner-Konservatorium wirkt Peschek ab 1962 freischaffend – auf vielen musikalischen Ebenen. Er gestaltet das oberösterreichische Kirchenmusikleben mit und ist in den Zirkeln der internationalen Avantgarde präsent. Bruno Maderna, Günter Kahowez und Francesco Valdambrini sind nur einige der vielen eng verbundenen Weggefährten. Aus den Erfahrungen bei den Internationalen Ferienkursen in Darmstadt entsteht die Idee zur Gründung des „neuen ensembles“, künftig Oberösterreichs wichtigster Klangkörper für Neue Musik. Er polarisiert und er schafft damit das Schwierigste und Wichtigste: der Musik der Zeit zu öffentlicher Wahrnehmung zu verhelfen. In seinen Konzerten findet das eigene Schaffen einen ebenso ständigen Platz wie die Musik seiner Kollegen, für die er sich unermüdlich einsetzt; auch durch die Gründung eines eigenen Musikverlags, der Edition Peschek. In der „Neuen Reihe“ erscheint neben Eigenem sowie Werken von Richard Kittler, Erich Urbanner und vielen anderen auch die „Toccata francese“ von Augustinus Franz Kropfreiter: zum Leidwesen von dessen Hauptverlag bis heute der international größte und bestverkaufte Orgelhit des oberösterreichischen Landsmanns.

Ein Credo: die pantonale Musik

Eine heutige Beschäftigung mit Pescheks Musik lässt frühere Kontroversen vielleicht verstehen, aus den verschiedenen Strömungen seiner Zeit hebt sie sich aber sicher nicht als ungewöhnlich erschreckend oder  verstörend ab. Vielmehr steht bei ihm immer das Sinnhafte, Verbindende im Vordergrund  – der Effekt um des Effekts willen war Pescheks Sache nicht. Sein individuelles Credo war das System der „Pantonalen Musik“: Frühe graphische Partituren ebenso wie spätere traditionell notierte Stücke erlauben nicht nur selbstständig gespielt zu werden, sondern auch in verschiedenen Kombinationen gleichzeitig, nacheinander und mit unterschiedlichen Instrumenten. Damit treten auch bei vielfacher Reproduktion von einmal Geschaffenem immer neue schöpferische Impulse hervor.

Eine Aufgabe für die Weggefährten

Was von dieser Musik bleiben wird? – Der realistische Beobachter des zeitgenössischen Musikgeschehens wird Pescheks Werken keine allzu großen Chancen für ein künftiges Repertoire einräumen. Es werden vor allem die Weggefährten der jüngeren Generation, unter ihnen etwa Cellist Wolfgang Panhofer, sein, die unermüdlich an seine Musik erinnern werden. Retrospektiven zu runden Jahrestagen sollten ein Vergessen verhindern. Was abgehen muss, ist die Persönlichkeit neben der Musik: Wie unvergleichlich konnte Alfred Peschek zu seinen Stücken erzählen, verschmitzt, mit scheinbarer Ernsthaftigkeit, in einer Weise, die dem Zuhörer Tränen vor Lachen in die Augen treiben konnte.

Dank an einen wunderbaren Clown

Alfred Peschek war ein Clown, und wie ein typischer Clown verstand er sein Publikum zu unterhalten, es den Ernst der Welt für einen Augenblick vergessen zu lassen. Und wie ein typischer Clown war er selbst auch oft mit großer Traurigkeit konfrontiert: Der Tod raubte ihm zwei Ehefrauen und die Tochter, und doch ließ Peschek sich nicht davon abbringen, weiterzumachen. Fast bis zuletzt. Man muss ihm danken, „dem Alfred“, für großartige Momente, für das Lehrreiche ebenso wie für das Unterhaltende. Er wird fehlen.

Christian Heindl

http://www.peschek.at