Der Beschluss des Kuratoriums der Festspiele liegt bereits vor. In den nächsten Monaten gibt es Detail-Verhandlungen, Pereira hat zugesagt. Gestern lagen noch drei Kandidatenvorschläge der Findungskommission vor: Stéphane Lissner (aktuell Intendant der Mailänder Scala, bis 2010 Musikchef der Wiener Festwochen), mit Daniel Barenboim als “Joker”, Pierre Audi (seit 1988 Leiter der Nederlandse Opera in Amsterdam) und eben Pereirea (seit 1991 Operndirektor in Zürich, zuvor Intendant im Wiener Konzerthaus). Die Wahl fiel auf den ältesten Kandidaten. Der Dreiervorschlag wurde noch in fast allen österreichischen Zeitungen und auch in der internationalen Presse von den Kommentatoren eher negativ bewertet. “Die Presse” schrieb bereits am Samstag: Salzburg “hätte Besseres verdient, als eine weitere Anlegestelle für den Zirkus des internationalen Kulturbetriebs zu sein, der im Grund kaum noch Unterschiede kennt.” In einem Kommentar des “Standard” vom Montag stand der Satz: “Nach Herbert von Karajan, der zwei Mal der NDSAP beigetreten war, ehe er nach dem Krieg fast dreißig Jahre Salzburg künstlerisch prägte, wäre der jüdische Weltkünstler Barenboim ein politisches Friedenszeichen, das Österreich in Zeiten von Ebensee, Strache & Co dringend brauchen kann”.
In der “Welt” stand:”Der eine schafft Sponsoren heran, der andere Produktionspartner, der dritte ist ein zahnloser Ästhet. Sieht so Salzburgs Zukunft aus? Da kann man nur gähnen.” Die “Süddeutsche Zeitung” kommentierte, dass die Findungskommission “jedes Risiko, jeden Aufbruch scheuen und stattdessen auf die Übernahme anderswo entwickelter Modelle setzen” würde,”die mittlerweile Auslaufmodelle sind”. (alle Presszitate aus den SN vom 19.5.)
Folgende Aussendung der Salzburger Landeskorrespondenz erging heute an die Presse: “Der derzeit in Zürich als Operndirektor wirkende Österreicher Alexander Pereira wurde heute, Dienstag, 19. Mai, in einer Sitzung des Festspielkuratoriums als Festspielintendant ab dem Jahr 2011 designiert. Die Bestellung erfolgt auf fünf Jahre und soll spätestens ab Oktober 2011 wirksam werden, teilte die Vorsitzende des Kuratoriums Dkfm. Wilhelmine Goldmann in einem Informationsgespräch mit. In den nächsten zwei Monaten werden die näheren Details mit Pereira ausverhandelt. Eine Zusage Pereiras zur Übernahme dieser Funktion liegt vor.
Die Entscheidung für Pereira fiel im Kuratorium nach den Aussagen der für die Intendantensuche eingerichteten Findungskommission, der die Vorsitzende Goldmann ausdrücklich für ihre wertvolle Arbeit dankte. Pereira sei ein Vollprofi mit langjähriger Theater- und Opernerfahrung, Österreicher und erfahren im Umgang mit wirtschaftlich schwierigen Situationen. Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller bezeichnete Pereira als erstklassigen Kulturmanager. Laut Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Wilfried Haslauer verstehe es Pereira perfekt, erfolgreich einen großen Kulturbetrieb unter guten wirtschaftlichen Voraussetzungen zu führen. Kuratoriumsmitglied Dr. Peter Radel freute sich namens des Bundes über diese Entscheidung und dankte Festspielpräsidentin Dr. Helga Rabl-Stadler dafür, dass von ihr die Entscheidung des Kuratoriums mitgetragen werde.”
Die Vorsitzende des Kuratoriums Goldmann würdigte extra auch die Leistungen des derzeitgen Konzertchefs Markus Hinterhäuser: “Wir hoffen sehr, dass er an Bord bleibt und dass er in die nächste Intendanz mitgeht.” Hinterhäuser war ja als Nachfolger als Intendant im Gespräch, jedoch setzte ihn die Findungskommssion wieder Erwarten nicht auf den Dreiervorschlag.
Nun denn: Alexander Pereira hat einst in das Wiener Konzerthaus viel frischen Wind gebracht, das sollte man nicht bestreiten und war in Zürich in der Lage, mehr r als ein Dutzend Premieren zu produzieren, auch aufgrund seiner Fähigkeit, Sponsoren zu werben. Wir geben hier dennoch den heutigen “Standpunkt” – Kommentar von SN-Redakteur Karl Harb aus Salzburg, einem der profundesten Musikkritiker in Österreich und ausgezeichneten Kenner der Festspielszene seit Jahrzehnten wieder, auch deshalb, weil er heute nicht in der Print-Ausgabe der SN steht, wohl aber auf der SN-Website zu finden ist.
“Von Karl Harb am 20. Mai 2009 um 06:22: Aufbruch schaut anders aus. Mit Alexander Pereira haben die Subventionsgeber der Salzburger Festspiele am Dienstag einen neuen Intendanten ernannt, der nicht unbedingt für kühne Innovationen bekannt ist, sondern für ein Kunstmanagement, das einen Betrieb gut geölt am Laufen halten und zum Glitzern bringen kann. Zwei Mal hatte Pereira schon versucht, das prestigeträchtigste Amt der Musik- und Theaterwelt einzunehmen. Beim dritten Mal klappte es.
Wie seinen von einer Findungskommission ausgewählten Mitbewerbern, Pierre Audi und Stéphane Lissner, ist Pereira Professionalität nicht abzusprechen. Aber hat er in Zürich für viel Un- oder gar Außergewöhnliches gesorgt?
Genau das ist die Aufgabe von Festspielen: Sie sind kein Repertoirebetrieb, der einen Kessel Buntes kocht. Sie sollen beispielgebendes Statement zur Zeit sein, klare Aussagen treffen dafür, was Kunst heute bewirken könnte. Mutlosen Kuratoren ist das nicht zuzutrauen, Intendanten müssen es bringen.
Nach der Sklerose der letzten Karajan-Jahre hat das Gérard Mortier beispielhaft vorgeführt; Hans Landesmann hat ihm im Konzert sekundiert. Noch Peter Ruzicka hatte ein verbindliches Konzept, dass dann zwar vorzeitig zerbrach, aber durch den Erfolg des Mozartjahres 2006 überstrahlt wurde.
Mit Jürgen Flimm west schon jetzt die Oper eher müde dahin. Wäre da nicht Markus Hinterhäusers gelobtes Konzertprogramm: Die Bilanz sähe vorläufig trist aus.
Salzburg braucht frischen Schwung. Ob ihn Pereira bringt, bleibt vorerst abzuwarten.”