Die Singer-Songwriterin VICKY HALO stammt aus dem Mostviertel und singt inzwischen hauptsächlich in deutscher Sprache bzw. im Dialekt. Im Interview mit Jürgen Plank erzählt VICKY HALO von einer Europa-Tour als Straßenmusikerin und wieso ABBA und Musicals prägende musikalische Eindrücke ihrer Kindheit waren. Außerdem erzählt sie von Kollaborationen innerhalb der Singer-Songwriter:innen-Szene, von ihren allerersten Liedern und einem anfangs spielerischen Zugang zum Liederschreiben.
Wann hast du dein allererstes Lied geschrieben?
Vicky Halo: Ich habe als Kind verschiedene Instrumente gelernt: Flöte, Klarinette, Klavier und Gitarre. Im Alter von 13 Jahren habe ich im Internet die Texte meiner Lieblingslieder gefunden, mit Akkorden. Dadurch konnte ich die Lieder, die ich liebe, einfach zu Hause nachspielen und singen. Das ist ein intensives Hobby von mir geworden. Auch wenn Freundinnen zu Besuch waren, haben wir oft einfach die Gitarre geschnappt und miteinander gesungen. Mit 13 verliebt man sich ja recht oft und schnell und wir haben dann für die Freundin ein Lied geschrieben, die gerade nicht da war, weil sie bei einer Verabredung war. Das war alles witzig und spielerisch. Den ersten Song habe ich wahrscheinlich mit 14 Jahren geschrieben und dann bin ich einen Songwriting-Rausch verfallen. So bin ich zum Erzählen von Geschichten gekommen.
Einige Jahre später hast du einen Talente-Wettbewerb gewonnen.
Vicky Halo: Das war ungefähr 2013. Ich habe damals das Lied „Ich werd’ jetzt lernen aufzustehen“ von meiner ersten EP eingereicht, dass ich mit 16 Jahren geschrieben habe. Der Preis war, einen Song in einem Studio aufzunehmen. Dafür habe ich „Meine Liebe“ ausgewählt. Bis zur Matura habe ich meine Musik eher hinter verschlossenen Türen gemacht, aber ich habe daran geglaubt und gewusst, dass ich irgendwann damit hinaus gehe und dass das groß und gut wird.
Du hast bei einer Veranstaltung von Fridays For Future gespielt und in einem deiner Lieder gibt es die Zeile: „Der Meeresspiegel steigt“. Wie wichtig ist dir diese gesellschaftspolitische, kritische Haltung?
Vicky Halo: Der Song, den du ansprichst, heißt „Is do wer“ und der erzählt die Geschichte einer ganz schlimmen Beziehung. Die Not des Planeten habe ich beim Schreiben des Liedes nicht im Hinterkopf gehabt, aber die Zeile ist aktueller denn je und es muss gehandelt werden. Mir ist wichtig, aufeinander zu schauen, gegenseitigen Respekt zu haben und das gilt auch für unseren Planeten. Ich schaue darauf, dass sich die kleinen Dinge summieren und dass ich so meinen Beitrag leiste: Mülltrennung, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Oder schauen, was man im Kühlschrank hat und damit etwas kochen. Solche Themen schwingen mit, sie sind aber nicht die Hauptbotschaften in meinen Liedern.
Worum geht es eher in deinen Liedern?
Vicky Halo: Es geht eher um Themen aus Beziehungen und aus meinem aktuellen Leben und ich sehe mich nicht als Aktivistin, die an vorderster Front steht. Aber als sie mich gefragt haben, ob ich bei Fridays For Future spielen möchte, war das für mich ganz klar, dass ich das auf jeden Fall möchte. Das ist eine Bewegung, die ich wichtig finde.
Inwiefern würdest du Musik als Mittel für Botschaften sehen: gibt es Lieder von dir oder von anderen, die das schaffen?
Vicky Halo: Absolut. Mir ist bei meinen Liedern wichtig: viele entstehen in einem Moment, in dem man sich hinsetzt und sich sammelt. Womit setze ich mich gerade auseinander? Da geht es um Themen und Situationen, die einen einfach herausfordern. Daraus entstehen großartige Songs und mir ist immer ein Silberstreif wichtig. Auch wenn die Welt zusammenbricht, möchte ich einen Funken Hoffnung vermitteln: hey, vielleicht geht es doch wieder bergauf! Der Optimismus muss für mich überwiegen. Auch angesichts von niederschmetternden Themen braucht es einen Aufwärtsdrall. Musik schafft das permanent für mich, das ist für mich oft an den Gesang gebunden. Es gibt viele Musiker:innen, die unglaublich viel Gefühl in der Stimme haben. Da braucht es dann vielleicht nur eine Klavier-Begleitung und ich sitze für dreieinhalb Minuten bei einem YouTube-Video und weine. Das ist dann die Musik, die mich inspiriert und mich beeinflusst.
„Ich habe anschließend Reisen immer damit verknüpft, auf Open Stages zu spielen“
Du hast Musik mit dem Unterwegssein verknüpft und warst als Straßenmusikerin in Europa unterwegs. Wie kam das?
Vicky Halo: Ich war aus Arbeitsgründen in der Nähe von Helsinki und habe noch zwei Wochen Urlaub angehängt. Im Vorfeld habe ich recherchiert, ob es Open Stages in Helsinki gibt. Ich bin da schnell fündig geworden und habe dort gespielt. Das ist zwar ein Klischee, aber die Finnen waren zum Teil schon sehr reserviert und geradlinig in der Konversation. Aber es war cool zu sehen, dass die Leute nach meinem Auftritt zu mir gekommen sind und mich umarmt haben. Diese Resonanz war sehr schön. Ich habe anschließend Reisen immer damit verknüpft, auf Open Stages zu spielen. Im Jahr 2019 habe ich dann meine Zugroute von Wien bis Barcelona abgesteckt, um zu schauen, was die Welt zu bieten hat.
Wie war diese besondere Tour für dich?
Vicky Halo: Ich war davor nicht besonders geübt als Straßenmusikerin in Wien. Ich habe das ein bisschen gemacht, aber ich kann nicht sagen, dass ich darin routiniert war. Mein Start war in Vorarlberg und vorab habe ich mich über die Genehmigungen für Straßenmusik in den verschiedenen Städten informiert. Manchmal muss man zahlen, manchmal darf man nur an bestimmten Plätzen spielen. Solche Regelungen habe ich ernst genommen, damit ich beim Spielen nicht verscheucht werde. So war es dann klar, an welchem Tag ich wo bin.
Wo warst du überall?
Vicky Halo: In Feldkirch, Bregenz, in Vaduz. Dort hatte ich den spannendsten Gitarrenkoffer, was die Münzen betrifft. Da sind alle möglichen Währungen zusammengekommen. Dann weiter in die Schweiz und über Südfrankreich nach Barcelona.
„Wenn Kinder stehen bleiben und zum Tanzen anfangen, hast du als Straßenmusikerin schon gewonnen“
Gibt es ein Erlebnis, das für dich mit dieser Tour verbunden ist?
Vicky Halo: Es gibt zwei besondere Erlebnisse: in Bern gibt es an der Hauptstraße Arkaden, dort habe ich gespielt, auch weil die Akustik gut war. Plötzlich kommt eine Verkäuferin aus einem Geschäft zu mir und ich habe Angst gehabt, dass sie mich vertreiben könnte, weil ich zu laut war. Sie hat mich aber darum gebeten „Use someody“ von Kings Of Leon zu spielen. Das habe ich dann für sie gespielt. Auf einmal hat mir eine Schulklasse zugehört und bei „Just the way you are“ von Bruno Mars hat der Lehrer der Klasse ein Zeichen gegeben und der ganze Schul-Chor ist eingestiegen. Das war irre! Die Kinder haben ernsthaft mitgesungen und ich musste mich sehr aufs Spielen konzentrieren, damit ich nicht von diesem Moment überwältigt werde. Wenn Kinder stehen bleiben und zum Tanzen anfangen, hast du als Straßenmusikerin schon gewonnen. Dann ist eine Verbindung da.
Auf deiner Webseite habe ich gelesen, dass dir ABBA gefällt und ein musikalischer Einfluss für dich ist. In deinem Lied „Just fall away“ habe ich einen musikalischen Bogen von ABBA herausgehört.
Vicky Halo: Das ist sehr spannend, das hat noch nie jemand gesagt und mir ist das auch noch nicht aufgefallen. Von meinen Eltern habe ich musikalisch hauptsächlich ABBA und Musicals mitgekriegt. Es gab auch Bands aus dem Bereich Progressive Rock, aber die haben mir als Kind nicht getaugt, weil ich ein Fan von den Spice Girls und von Tic Tac Toe war. Die Spice Girls gefallen mir noch immer, bei ABBA hat es bei mir wegen der starken Pop-Songs und wegen des Gesangs geklickt. ABBA war der Soundtrack meiner Kindheit. Meine Eltern waren große Fans, die haben jede Platte, jede CD gehabt.
Es gibt ja sogar ein ABBA-Musical, würdest du gerne mal in einem Musical singen?
Vicky Halo: Das habe ich schon. Eine Zeit lang hat mich das interessiert, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir Schauspielerei liegt. Wenn es sich ergibt, würde ich es mir sicher durch den Kopf gehen lassen. Ich würde es nicht aktiv anstreben, aber das wäre durchaus spannend.
Es gibt von dir Videos, die dich gemeinsam mit anderen Songschreiberinnen zeigen, etwa mit Claudia Heidegger oder Raisa Kovacki und demnächst hast du einen Auftritt gemeinsam mit Agnès Milewski. Wie wichtig ist dir die Zusammenarbeit mit anderen, der Austausch in der Singer-Songwriter:innen-Szene?
Vicky Halo: Vor Covid gab es tatsächlich den Vienna Songwriting Circle, da haben wir uns ein Mal pro Monat getroffen, und am Abend gab es ein Konzert. Dass man sich in dieser Singer-Songwriter:innen-Community trifft um miteinander zu schreiben, habe ich ganz aktiv erlebt. Das ist für mich sehr spannend. Es ist nicht der Platz, an dem ich die Lieder schreibe, die ich in meinem Set habe. Aber es ist der Platz, um sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Co-Writing kann das Coolste auf der Welt sein, weil man von verschiedenen Perspektiven aus schreibt und man ein Gegenüber hat, aber es muss echt klicken. Wenn das nicht passiert, wird es schwierig. Irgendetwas muss funktionieren, wahrscheinlich braucht man eine gemeinsame Idee, in welche Richtung es geht. Gemeinsame Auftritte finde ich immer cool, man spielt sein Set und genießt das Set der anderen Acts. Es ist schon ein Allheilmittel, dass man einander hilft und unterstützt.
Wie erlebst du als Frau die Musikszene: erlebst du Benachteiligungen bzw. hast du unangenehme Erfahrungen gemacht?
Vicky Halo: Ich war noch nicht mit einer Situation konfrontiert, die wirklich unangenehm war. Ich bin nur auf Bühnen unterwegs, auf denen es ein schönes Miteinander gibt. Tatsächlich gibt es für mich manchmal ein Problem in Bezug auf das Respektieren von Grenzen, das ist schon so eine Sache der Männer: nach einem Konzert gehe ich von der Bühne und bin mitten im Publikum. Ich rede auch gerne mit den Leuten. Wenn es aber einem Hörer zu sehr taugt, vergisst er manchmal die Grenze mir gegenüber. Manchmal brauche ich vielleicht kurz Hilfe, weil ich es alleine nicht mehr hinkriege zu sagen: danke, dass du da warst und meine Musik magst, aber wir reden jetzt nicht darüber, ob ich einen Freund habe. Manchmal wird Freundlichkeit mit Flirten verwechselt. Diese Grenze wird manchmal überschritten. Nicht oft und das ist nicht niederschmetternd, aber ich glaube, dass das ein Thema für Frauen ist.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Live:
Do 25.5.2023, Club 1019, Wien, support für Agnès Milewski,
Do 06.7.2023, Kongresspark, Wien
Fr 18.8.2023, Superbude
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