„NIEMALS LAUTER ALS DER WALD“ – MICA-INTERVIEW MIT THOMAS ANDREAS BECK UND VIOLETTA PARISINI (STILLE FÜHRT – IM WALD)

Ab 24. März 2024 findet in der Nähe von Gumpoldskirchen eine ungewöhnliche von THOMAS ANDREAS BECK veranstaltete und kuratierte Konzerte-Reihe statt: nach einer kurzen Wanderung gibt es an 4 Sonntagnachmittagen mitten im Wald Konzerte von VIOLETTA PARISINI, MARTIN KLEIN, LUKAS LAUERMANN und STEFAN STERZINGER. Jürgen Plank hat mit dem Kurator, Dichter und Liedermacher über die Besonderheiten des Ortes genauso gesprochen wie über Vorgaben an das Publikum und die Auftretenden. Es wird klar: die Ruhe des Waldes ist zu respektieren. VIOLETTA PARISINI erzählt uns wie sie sich dem Ort annähern wird und an welchen schrägen Locations sie bereits gespielt hat.

Besonders an der Konzerte-Reihe „Stille führt – im Wald“ ist die Location: eine Waldhütte in der Nähe von Gumpoldskirchen. Wie bist du auf die Idee zur Reihe gekommen?

Thomas Andreas Beck: Erstens gibt es den Ort, das ist ein kleines Stück Wald, das mir gehört. Am Fuße des Anninger bei Gumpoldskirchen. Der zweite Zugang ist, dass ich im Zuge meiner Arbeit als Kurator – für den Weinsommer Gumpoldskirchen und für das Lakesound-Festival in Breitenbrunn – viele Künstler:innen kennen gelernt habe, die mich berühren, die aber für Unterhaltungsformate zu fragil, zu zart, vielleicht auch wirklich zu still sind. Das Programm ist eine Feinstauslese, die perfekt in den Wald passt.

Bild Thomas Andreas Beck
Thomas Andreas Beck (c) Walter Mussil

Welche Themen machst du durch die Kombination aus Wald und Musik im Vergleich zu einem Konzert in einem üblichen Rahmen auf?

Thomas Andreas Beck: Bei einem herkömmlichen Konzert baut man sich Bühnen, damit die Künstler:innen performen können. Hier ist der Wald ein Ort, der besondere Achtsamkeit erfordert und sicher wichtiger ist als wir. Wir richten uns in diesem Format ganz nach dem Wald. Die wichtigste Prämisse für die Darbietungen ist: niemals lauter als der Wald zu sein. Das ist ein Ort, der für mich eine riesige Kraft hat. Ich bin der Überzeugung, dass die Kombination aus Musik und Natur – der Wald ist ja tosend still, um es mit John Cage zu sagen – ein besonderes Kunstwerk ergibt. Es ist eine Kombination aus Landart und Konzert.

Bild Lukas Lauermann
Lukas Lauermann (c) Patrick Münnich

Die Reihe wird am 24. März 2024 mit dem Akkordeonisten Stefan Sterzinger eröffnet. Warum passt er dazu?

Thomas Andreas Beck: Er hat es sich mit seinem Akkordeon, seinem Gesang, seiner Art Musik zu machen, verdient, dass man genau zuhört. Deswegen ist er mir sofort als passender Act eingefallen. Noch dazu spielen an diesem Tag in der Elbphilharmonie die besten Musiker:innen aus Wien. Da habe ich gesagt: Sterzinger, da stimmt etwas nicht, wir sind ja auch noch da. Komm’ zu mir in den Wald! Wir sind am 24.3. einfach im Wald und nicht in Hamburg.

„DER REIZ AM GESAMTEN PROJEKT IST, DASS ICH KEINE AHNUNG HABE, WIE ES WIRKLICH WIRD“

Und warum passt Martin Klein zu „Stille führt – im Wald“?

Bild Martin Klein
Martin Klein (c) Pamela Russmann

Thomas Andreas Beck: Martin Klein bewundere ich seit ich erstmals von ihm gehört habe. Am meisten liebe ich seine Musik, wenn er sich so in den Flügel hineinlegt, dass du glaubst, der Kopf schlägt auf der Flügelplatte auf. So habe ich ihn im Porgy & Bess gesehen: in einer unglaublichen Tiefe und Eindringlichkeit seine Lieder spielend. Mir war von Anfang an klar, dass er mit seiner Art Musik zu machen in den Wald gehört. Vor langer Zeit habe ich ihm von der Waldhütte und dem Pianino erzählt. Der Reiz am gesamten Projekt ist, dass ich keine Ahnung habe, wie es wirklich wird. Ich hoffe, dass etwas passiert, womit ich nicht rechne. Vielleicht überzeugt uns Martin, dass wir das 120 Kilo schwere Pianino aus der Hütte hinaustragen und im Wald aufstellen.

Zuletzt habe ich ihn im Theater an der Gumpendorferstraße live erlebt, wo er sich in großer Verletzlichkeit gezeigt hat und mich damit sehr berührt hat. Seine Fragilität ist im Wald bestens beschützt. Dasselbe gilt auch für Violetta Parisini. Ich erlebe sie im paradoxen Spannungsfeld zwischen zutiefst verletzlich und zugleich offen und mutig. Sie singt sehr ehrlich über ihr Menschsein in dieser Gesellschaft. Sie ist eine ganz Stille mit enormer Kraft und ich bewundere sie sehr. Und sie hat es verdient, dass die Leute ihr genau zuhören.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Damit zu dir, Violetta, du wirst am 19. Mai 2024 auftreten. Wie findest du dieses Setting mitten im Wald?

Violetta Parisini: Großartig. Ich kriege in meinem Alltag eindeutig zu wenig Wald ab und freue mich total, dass ich mich zu diesem Anlass mit dem Wald verbinden kann.

Wie wirst du dich vorbereiten?

Violetta Parisini: Ja, ich werde mir ein bisschen mehr als sonst darüber Gedanken machen, was ich spiele. Immer wenn man ein Setting hat, das nicht alltäglich ist, überlegt man es sich nochmals neu, was man spielen will. Gleichzeitig ist es immer wichtig, vorbereitet zu sein, aber manche Dinge kann man nicht vorbereiten, sondern man muss sich auf sie einlassen und ich glaube, das ist in diesem Fall ein großer Punkt.

Bild Violetta Parisini
Violetta Parisini (c) Anita Schmid

Vor Ort gibt es ein Pianino, aber alle Konzerte finden absolut unplugged statt, wirst du eher instrumental spielen?

Violetta Parisini: Nein, ganz sicher nicht. Ich singe auf jeden Fall, denn bei mir geht es schon viel darum, was ich mit dem Text sage. Man kann ja vieles ohne Worte sagen, aber nachdem das gesungene Wort meine künstlerische Heimat ist, werde ich nicht ganz darauf verzichten. Vielleicht ein bisschen mehr als sonst, ich werde überlegen, ob ich mich mehr um die Stimmung kümmere und vielleicht ohne Worte singen werde. Aber für mich ist das gesungene Wort einfach wahnsinnig wichtig und das wird auch in diesem Fall so sein.

Violetta, wie siehst du die anderen beteiligten Musiker: Martin Klein, Lukas Lauermann und Stefan Sterzinger?

Violetta Parisini: Ich bin tatsächlich Fan. Was ich von den anderen kenne, macht mich froh in dieser illustren Runde dabei zu sein. Ich fühle mich dazugehörig und es fühlt sich stimmig an, dass das Programm so zusammengestellt wurde.

Hast du bereits ähnliche ungewöhnliche Auftrittsorte erlebt?

Violetta Parisini: Ich habe schon so viele Konzerte gespielt und da waren schon ein paar sehr interessante Auftritte dabei: zum Beispiel bei Minusgraden im Freien. Oder auf einer Hotelterrasse in Mexiko. Das ist das Schöne an meinem Beruf: was ich mache ist immer anders, weil die Umgebung immer anders ist und weil das Publikum immer anders ist. Beim Wald ist die Umgebung natürlich prägend für das Gesamterlebnis. Für mich ist auch immer wichtig, wer im Publikum ist, wie die Menschen drauf sind und wie sehr sie sich auf das Erlebnis einlassen. Wenn man gemeinsam zur Location wandert, ist das eine ganz andere Vorbereitung auf den Auftritt. Man ist viel mehr Gruppe und Community als in einer Bühnensituation, in der man den Leuten zum ersten Mal in die Augen schaut oder gar nicht in die Augen schaut, weil nur sie dich sehen.

„LUKAS LAUERMANN HALTE ICH FÜR EINEN ZEITGENÖSSISCHEN, MODERNEN KLASSIKER“

Von Violetta Parisini zum Abschluss der Reihe, die Lukas Lauermann am 16. Juni 2024 gestalten wird.

Thomas Andreas Beck: In meiner Playlist ist Lukas Lauermann mit seinen Werken immer ganz vorne dabei, weil mir seine Musik guttut. Er spielt dieses Cello mit Effektgeräten und Loops, das taugt mir. Im Wald werden wir ihn rein analog hören, er plant etwas ganz Besonderes. Lukas ist ein Künstler, der immer mit der Umgebung spielt. Ich habe ihn einmal in der Basilika in Maria Taferlerlebt. Dort hat während er gespielt hat die Kirchenglocke sehr laut geläutet. Er hat sich wie die Grillen in Griechenland eingeschwungen und die Glocken sofort in sein Stück integriert. Ich habe auch ein bisschen die Hoffnung, dass im Wald der Uhu über uns flattert oder das Rotwild schreit und er das sofort zu seiner Musik macht. Lukas Lauermann halte ich für einen zeitgenössischen, modernen Klassiker.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Ganz praktisch: wie läuft so ein Konzertnachmittag in Kombination mit der Wanderung zur Hütte ab? Bist du der Tour-Guide?

Thomas Andreas Beck: Ja, ich bin der Tour-Guide und der Zeremonienmeister und ich lese an jedem der Nachmittage auch einige Gedichte aus meinem neuen Buch „Der Keller ist dem Österreicher sein Aussichtsturm“. Treffpunkt an jedem der Sonntage ist der Kirchenplatz in Gumpoldskirchen, da kommt man gut mit dem Zug, Auto oder Fahrrad hin. Alle gehen miteinander zur Hütte und nach dem Konzert geht es über den Beethoven-Wanderweg mit Blick über das Wiener Becken zurück zum Heurigen nach Gumpoldskirchen. Mein Traum wäre, dass sich da eine Community bildet, die sagt: in vier Wochen bin ich wieder dabei. Seit meiner Kindheit liebe ich Sonntagsausflüge und bei dieser Reihe soll man einen schönen Sonntagnachmittag verbringen.

Bild Stefan Sterzinger
Stefan Sterzinger (c) Thomas Lieser

Du hast im Jahr 2023 im Csello in Oslip das Symposion „Österreich ist frei“ organisiert, mit Lesungen, Konzerten und Podiumsdiskussionen. Ist es für dich eine Art positive Sucht, ständig neue Live-Musik-Formate zu entwickeln?

Thomas Andreas Beck: Ich liebe es Menschen zusammen zu bringen, Dörfer zu bauen und Räume mit kulturellen Mitteln zu entwickeln. Ein Maler malt nachdem er ein Bild fertig gestellt hat, das nächste Bild und so ist es für mich eine Leidenschaft Rituale zu erfinden. Aus der tiefen Überzeugung heraus, dass wir als Gesellschaft Rituale brauchen, weil wir uns in den Ritualen soziale Kräfte erschließen können, die wir alleine nicht haben.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

++++

Stille führt – Im Wald

So 24.03.2024: Stefan Sterzinger
So 07.04.2024: Martin Klein
So 19.05.2024: Violetta Parisini
So 16.06.2024: Lukas Lauermann

Jeweils: 14:30 Uhr: Eintreffen in 2352 Gumpoldskirchen, Kirchenplatz, 15:00 Uhr: gemeinsame Wanderung zur Hütte im Wald. 16:30 Uhr: Konzert in und um Waldhütte, gemeinsamer Ausklang beim Heurigen. Kosten: €75,- pro Person – inklusive Heurigenbuffet. Teilnahme erfolgt ausschließlich nach Kontaktaufnahme via e-mail tab@thomasandreasbeck.at und erfolgter Bestätigung, auf eigenes Risiko und unter der Bedingung, die „Gesetze des Waldes“ verbindlich einzuhalten.

++++

Links:
Thomas Andreas Beck
Martin Klein
Violetta Parisini
Lukas Lauermann
Stefan Sterzinger