Lothar Knessl erhält das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien

Lothar Knessl, Österreichs vielleicht kompetentester Musikkritiker, Vermittler, Berichterstatter, Kurator und Programmgestalter, der seit nunmehr fast einem halben Jahrhundert für die Notwendigkeit Neuer Musik Partei ergreift, erhält am 9. Juni im Wiener Rathaus vom Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien überreicht.

Manche Menschen haben einfach eine Mission, die sie ein Leben lang mit allem Nachdruck verfolgen. Die von Lothar Knessl war und ist jene, der Neuen Musik in Österreich zu einer bedeutenden Stellung zu verhelfen, der Musikgattung jene Öffentlichkeit zu schaffen, die ihr seiner Meinung nach zusteht. Seit über 50 Jahren nun schon stellt der 1927 in Brünn geborene profunde Musikexperte seine Tätigkeit in den Dienst dieser Sache. Und das mit großem Erfolg. In seinen zahlreichen Funktionen und mit vielfältigen Aktivitäten, auch als Komponist, hat sich Lothar Knessl allerorts den Ruf eines Vorkämpfers, Protagonisten und begeisterten Unterstützers der Neuen Musik erworben. Es gibt in der österreichischen Musiklandschaft wohl niemanden, der seine Leistungen nicht zu würdigen weiß.

Lothar Knessl studierte Musik- und Theaterwissenschaft sowie Komposition bei Ernst Krenek und Karl Schiske. 1957 führte ihn sein Weg nach Darmstadt, wo er an den „internationalen Ferienkursen“ –  der damals vielleicht wichtigsten Veranstaltung für Neue Musik – teilnahm. Zurück in Österreich nahm er 1960 die Stelle des Kulturredakteurs bei  der Tageszeitung “Neues Österreich” an. Darüber hinaus publizierte er auch in unzähligen anderen Zeitungen und Fachzeitschriften, wie im Neuen Forum und Heute, in der Opernwelt, im Theater heute und im Melos. Ab 1971 leitete er zudem das Pressebüro der österreichischen Bundestheater und war ab 1986 bis zu seiner Pension 1991 Pressereferent der Wiener Staatsoper.

Aber Knessl war nicht nur publizistisch tätig, sondern erfüllte im Laufe der letzten fünfzig Jahre dutzende andere, für die österreichische Musiklandschaft sehr wichtige Funktionen. So gestaltete und moderierte er ab 1968 die Ö1-Sendereihe „Studio Neuer Musik”, den Vorläufer des heutigen “Zeit-Ton”, in der überhaupt zum ersten Mal „experimentelle“ und Neue Musik im österreichischen Radio gespielt wurde. Zudem hielt er als Lehrbeauftragter am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien ab 1987/87 wichtige Vorlesungen zur Musikgeschichte und zum Musiktheater des 20. Jahrhunderts. Nicht zu vergessen seine bedeutende Rolle bei der Gründung des Festivals “Wien modern”, welches er jahrelang auch kuratierte.

Damit nicht genug war er von 1992-2000 Präsident der Österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) und von 1993-1996, zusammen mit Christian Scheib, Musikkurator des Bundesministers für Unterricht und Kunst. Als dieser wurde er Förderer und Impulsgeber wichtiger Institutionen des österreichischen Musiklebens, wie etwa vom mica – music information center austria, dessen Präsident er bis 2001 war.

Und das sind nur einige der vielen Stationen in Lothar Knessls beruflicher Laufbahn. Mit der Annahme, dass ohne die weitreichende Unterstützung und Fürsprache des heute 83-Jährigen die Neue Musik in Österreich deutlich ihren Platz gefunden hätte, liegt man vermutlich nicht wirklich falsch. Er war einer der Persönlichkeiten, welcher den Blick der Öffentlichkeit auf  diese oftmals als „schwierig“ verschrieene Musikgattung zu lenken wusste. Eine Leistung, die Bewunderung verdient. (mt)


“Lieber Lothar, ich bin von Deinem Geist, Deinem Herz und von Deiner Energie begeistert. Ich bin sehr glücklich, Dich zu kennen.”
Ursula Strubinsky, Leiterin der Redaktion “Neue Musik” des Programms ORF Ö1

“Wenn ich an Lothar und das Radio denke, dann fällt mir spontan die Geschichte ein, als mir auf dem Weg ins Funkhaus ein Kollege von der Technik entgegenkam und völlig fasziniert erzählte, dass er soeben mit Lothar eine Zeit-Ton Sendung in einem Guss aufgenommen hat, und zwar im Wortsinn! Kein einziges Mal hätte sich dieser versprochen, und am Ende war die Sendung gerade einmal um zwei Sekunden zu lang. Ich bin stolz darauf sagen zu können, dass Lothar Knessl noch immer für uns arbeitet. Nach wie vor ist er eine große Inspiration. Außerdem hat er für mich die schöne Berufsbezeichnung Verknüpfungsarbeiterin gefunden.”
Susanna Niedermayr, Co-Leiterin der Redaktion “Neue Musik” des Programms ORF Ö1, und Co-Kuratorin des ORF musikprotokoll im steirischen herbst

“Ein wesentlicher Aspekt wenn nicht die Quintessenz des Wirkens von Lothar Knessl ist sicher die Vermittlung. Seine Sendungen “Studio Neuer Musik” waren z. B. die wesentlichen Impulse für meine frühe künstlerische Orientierung. Damals kannte ich nur seine Stimme. Es ist mir eine große Freude, ihn heute persönlich als einen zu kennen, der sich nach wie vor unermüdlich für die (Neue) Musik einsetzt.”

Wolfgang Seierl, Komponist und Präsident des mica-music austria

“Lieber Lothar, herzlichsten Glückwunsch zu  dieser Auszeichnung, mit Dank für deine Tätigkeit als Präsident der IGNM-Österreich von 1992 bis 2000 und dafür, dass du immer noch für uns mit Rat und in Freundschaft da bist!”
Bruno Strobl, Präsident der IGNM-Ö
«Wenn sich die Zeichen mehren, geht was den Bach runter.
Wenn was den Bach runtergeht, muss der Mensch sich bescheiden.
Dann darf er nichts weiter fordern als das Vollkommene.
Nicht mehr als das, aber bei Gott! auch nicht weniger.»

Für die kommenden (goldenen) Zeichen und die so unablässige wie bislang erfolgreiche Forderung nach dem Vollkommenen die besten Wünsche und Grüße (mit Robert Gernhard), Bernhard Günther, langjähriger mica-Mitarbeiter, Herausgeber des Lexikons zeitgenössischer Musik aus Österreich (music information center austria), zur Zeit Dramamaturg an der Philharmonie Luxenbourg