Porträt: Electric Indigo

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Frauen ihren Weg in die bis dato noch von Männern in Beschlag genommenen DJ-Szene beschreiten konnten. Das war vor rund 15 Jahren. Eine Wegbereiterin dieser Entwicklung war Susanne Kirchmayr, die Mitte der neunziger Jahre für sich den Beschluss fasste, das damals noch “Undenkbare” zu versuchen und als Frau eine Karriere als DJ einzuschlagen. Heute zählt die unter dem Namen Electric Indigo bekannte Wienerin zu den gefragtesten österreichischen DJs überhaupt. Nicht nur innerhalb der heimischen Grenzen, auch im internationalen Rahmen konnte sie sich einen hervorragenden Ruf erarbeiten. Aber die Wienerin ist nicht nur als DJ und Produzentin tätig. Auch als Labelbetreiberin und Gründerin des Netzwerks female:pressure hat die Wienerin maßgeblich Anteil daran, dass Frauen Eintritt in die Elektronik-Szene gefunden haben.

Spricht man hierzulande von jenen österreichischen MusikerInnen und Acts aus dem Pop/Rock-, Elektronik- oder Alternative- Bereich, die es tatsächlich geschafft haben, auch auf internationalem Terrain Fuß zu fassen, fällt mit Sicherheit nach kurzer Zeit der Name Electric Indigo. Die Wiener Elektronikerin und DJ steht seit Jahren fast unangefochten an der Spitze der heimischen Elektronik-Szene und prägt diese bis heute.

Wir schreiben das Jahr 1989. Eher durch Zufall, denn geplant erhält Susanne Kirchmayr die Möglichkeit in einer kleinen Wiener Bar erstmals vor Publikum aufzulegen. Schnell findet die Wienerin Gefallen am gesamten DJing und beschließt, sich auch weiterhin hinter dem Plattenteller zu engagieren. Natürlich muss in solch einem Fall auch ein geeigneter Künstlername her, der dem Publikum sofort in den Ohren hängen bleibt. Da DJ Susanne damals wie heute nicht wirklich jemanden vom Hocker reißt, lässt sich die Wienerin von einem Bekannten inspirieren. Dieser meint, sie solle doch – bildlich gesprochen – ihre Vorliebe für elektronische Musik (Electric) mit ihrer Lieblingsfarbe blau kreuzen. Schnell kommt man auf das Pseudonym Electric Indigo, das bis heute Bestand hat.

Als Jugendliche ursprünglich vor allem im HipHop-, Funk- und Jazz-Umfeld sozialisiert, kommt Susanne Kirchmayr eines schönen Tages mit einigen Tracks aus Chicago und Detroit in Berührung. Ein für die musikalische Entwicklung der Künstlerin wegweisendes Ereignis. Vom Technovirus infiziert huldigt die Wienerin die neuen musikalischen Helden DJ Rush sowie Jeff Mills und Mike Banks vom Underground Resistance Label, die allesamt einen vollkommen neuen Sound etablieren – minimalistischen, harten und schnellen Techno. Dennoch schwappt die Begeisterung für diesen neuen Stil vorerst nur sehr langsam auf den “alten Kontinent” über. Dass er letzen Endes aber auch hierzulande bekannt wird, ist zum Teil auch ein Verdienst von Electric Indigo, die ihn in den heimischen Clubs zum ertönen bringt.

Anfang der neunziger Jahre verschlägt es die Wienerin dann nach Berlin. Was auch kein Wunder ist, befindet sich die Stadt nach dem Mauerfall doch in einer unglaublichen Aufbruchstimmung, die Kreative von überall her fast magisch anzieht. Innerhalb kürzester Zeit sprießen dort unzählige Szenen aus dem Untergrund, die sich gegenseitig austauschen. Für eine Künstlerin wie Electric Indigo also der ideale Ort um neue Eindrücke zu sammeln. Kaum hat sie einen Fuß auf Berliner Boden gesetzt, kommt sie auch gleich beim weltbekannten Hard Wax Store unter, wo sie als Einkaufsleiterin für die Platteneinkäufe verantwortlich ist. Gleichzeitig lernt sie den damals schon über die Grenzen hinweg bekannten DJ Hell kennen, mit dem sie zusammen in Folge die Split 12″ “Ultraworld Vol. 1” auf dessen Disko B Imprint veröffentlicht. Die ersten Schritte hinauf auf die große Bühne sind damit also gemacht.

Um viele Erfahrungen reicher kehrt Susanne Kirchmayr nach drei Jahren schließlich in ihre Heimatstadt zurück, wo sie keine Zeit verstreichen lässt, um sich ein eigenes Studio einzurichten. Damit nicht genug gründet sie auch ihr eigenes Plattenlabel. Indigo Inc. nennt sich dieses und geht in der Konzeption weit über die eines gewöhnlichen Labels hinaus. An das Label angeschlossen ist eine Datenbank mit dem Namen Female Pressure, die im weitesten Sinne wie eine Kontaktbörse funktioniert und die weiblichen Medienschaffenden die Möglichkeit bietet, miteinander in Kontakt zu treten, um kreative Netzwerke aufzubauen. Die Resonanz ist enorm und durch die Bank positiv. Mit den Gründungen von Indigo Inc. und Female Pressure vollzieht Electric Indigo jedenfalls den Schritt von einer Produzentin hin zu einer kompletten Medienkünstlerin.

Trotz ihrer immer zeitintensiver werdenden Tätigkeit gelingt es der umtriebigen Electric Indigo stetig an neuen Tracks zu feilen oder Mix-CDs zusammenzuzimmern. So erscheinen zur Jahrtausendwende mit “USA” und “The New Electro” zwei der bis dato erfolgreichsten Veröffentlichungen der Wiener Elektronikerin. So ist es auch wenig überraschend, dass sie für das legendäre Detroit Electronic Music Festival genauso gebucht wird, wie für Auftritte in China, Berlin oder sonst wo. 2003 folgen mit der “Six Tracks EP 1” und dem Nachfolger Vol. 2 die ersten Veröffentlichungen auf dem eigenen Label Indigo Inc. sowie die gemeinsam mit der Deutschen Acid Maria produzierte Doppel-Mix-CD “Welttour”.

Dass Susanne Kirchmayr aber nicht nur hinter dem DJ-Pult eine hervorragende Figur macht und in Stilfragen keinerlei Berührungsängste zeigt, belegen ihre zahlreichen künstlerischen Kooperationen mit Künstlerinnen anderer Genres. So etwa rief sie 2004 gemeinsam mit der Geigerin Mia Zabelka und der Theremin-Virtuosin Dorit Chrysler das Projekt Colophony Circuit ins Leben, in dem die drei Musikerinnen mit Neuer Musik, Elektronik und Techno drei auf den ersten Blick unvereinbar erscheinende Genres miteinander vereinen. Was folgt ist die Einladung an das Trio, ein Konzert im Rahmen der Reinventing Radio Show im Wiener RadioKulturhaus zu spielen, welches dann auch gleich zweimal auf Ö! übertragen wird.

Eine echte schöpferische Pause einzulegen, scheint nicht wirklich das Ding von Susanne Kirchmayr zu sein, wie etwa auch das gemeinsam mit Alexander Wagendristel komponierte Auftragswerk für die EXPO 2010 in Shanghai eindeutig belegt. Immer noch schafft sie zumindest eine Veröffentlichung im Jahr, oftmals mehr. Und auch ihre Freude am Auflegen hat sich bis heute nicht merklich verringert. Im Moment ist die Wienerin wieder vermehrt als waschechte Elektronikerin unterwegs, was natürlich keinen Aufschluss auf zukünftige Tätigkeiten zulässt. Electric Indigo zieht seit jeher ihr ganz eigenes Ding konsequent durch und überrascht damit immer wieder auch ihre Fans, die sie genau dafür schätzen. Und warum sollte sich gerade daran etwas ändern?
Michael Ternai

Foto 1:  Bernd Preiml
Foto 2:  Gerhard Heller

http://indigo-inc.at/
http://www.myspace.com/electricindigo