„Masken, Berge, Hendln“ – VIECH im mica-Interview

VIECH haben ein brandneues Album am Start. „YEAH“ heißt es kurz und bündig. Und es verbindet die typisch schrägen, parolenhaften Texte mit tanzbaren Rhythmen. PAUL PLUT und STEPHAN PAULITSCH sprachen mit Markus Deisenberger über Disco, Dada und den Weg von der Tüftelei zum Bandalbum.


Ihr neues Album heißt kurz und bündig „YEAH“. Was macht das Album aus Ihrer Sicht aus? Was unterscheidet es vom Vorgänger?

Paul Plut: Es ist schneller und „discoider“ geworden. Und die Texte bringen es mehr auf den Punkt. Livetauglicher ist es auch. Wir wollen live noch mehr Duck machen und haben das auch im Studio umgesetzt. Das Ganze heißt nicht umsonst „YEAH“. Der Name ist Programm.

Es gibt ja auch die YEAH GesbR. Das finde ich als Jurist natürlich besonders schön. Wer oder was ist das?

Paul Plut: Wir fünf. Die Band.

Es soll also deutlich in die tanzbarere Richtung gehen?

Paul Plut: Nein, natürlich ist da immer ein Augenzwinkern dabei – wie bei allen VIECH-Nummern. Das Ganze ist immer nur bis zu einem gewissen Grad ernst gemeint. Die schnellere Gangart hat sich einfach ergeben. Textlich werden wie immer die VIECH-typischen Phrasen gedroschen. Und diese Phrasen muss man immer im Kontext sehen. Und dass der gesamte Kontext, in dem diese Band steht, nicht ganz so ernst ist, ist schon klar.

Haben sich die Texte denn geändert?

Paul Plut: Ja, ganz einfach, weil sie von mehreren Personen geschrieben worden sind.

Stephan Paulitsch: Dieses Mal haben alle Bandmitglieder Texte beigesteuert. Die Texte wurden vorher gesammelt, aber wir hatten dann auch Treffen, bei denen wir gemeinsam texteten. Eine Art Text-Brainstorming, im Zuge dessen sich ein guter Workflow ergeben hat.

„Eine bloße Gaudi-Partie ist es keine.“

Das neue Album klingt jung, bunt, aber mit musikalischem und textlichem Anspruch. Wie gelingt der Spagat zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit?

Paul Plut: Eine bloße Gaudi-Partie ist es keine. Aber skurril sind wir immer und Trash spielt auch eine wichtige Rolle. Das Skurrile ist es vielleicht auch, das die Komik ausmacht.

Stephan Paulitsch: Es sind keineswegs Party-Texte. Die Texte lassen viel Interpretationsspielraum zu, aber die Themen sind ernst. Die Musik ist zwar straight, mehr auf den Punkt, aber der Kontext ist tiefgründig.

Wie professionell und kommerziell darf VIECH werden, ohne die Grundidee der Band zu verraten?

Paul Plut: Was ist für Sie die Grundidee?

VIECH hat auf mich immer wie eine Band gewirkt, der es um den Spaß am Spielen geht. Eine oder vielleicht sogar die Grundidee ist es also, einen gewissen Spaß am Musikmachen zu haben und den live auch zu zelebrieren. Ich frage mich, ob ein durchschlagender Erfolg diese fast schon naive Lust am Musizieren gefährden könnte, weil die Romantik verloren ginge.

Bandfoto VIECH
VIECH (c) Elisabeth Anna

Paul Plut: Gute Frage. Und Sie meinen, die Romantik könnte verloren gehen, wenn sich zu viel Routine einschleicht?

Was ich glaube, ist nicht so wichtig. Was glauben Sie?

Paul Plut: Ich hoffe nicht. Wir haben im letzten Jahr viele Konzerte gespielt. Keine Kassenschlager, aber von der Menge schon sehr viel. Aber die kindliche Herangehensweise haben wir uns trotzdem immer erhalten.

„Wenn man an VIECH denkt, dann soll man an viel Energie denken.“

Und das soll auch so bleiben?

Paul Plut: Auf jeden Fall.

Stephan Paulitsch: Das macht es auch aus. Ich bin ja erst später dazugekommen. Aber wenn man an VIECH denkt, dann soll man an viel Energie denken. Diese Energie macht die Band aus. Das muss unbedingt so bleiben.

Gibt es live auch viel Platz für Improvisation?

Paul Plut: Wir sind jetzt gerade am Erstellen des neuen Live-Sets. Und die Setlist steht nicht, nichts ist fix, das ändert sich von Abend zu Abend, je nachdem wie es gerade lässig ist. Aber eine Impro-Jazzband sind wir deshalb noch lange nicht. Wir improvisieren so viel, dass es uns Spaß macht und uns davon abhält, in einen fixen, nach Schema F verlaufenden Trott zu verfallen.

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Wie funktioniert die Graz-Wien-Connection? Paul Plut lebt ja in Wien, wie ich weiß. Wie funktioniert die Band? Wo proben Sie? Wie organisieren Sie sich?

Paul Plut: Wir waren alle in Graz, mittlerweile sind wir alle in Wien – bis auf Stephan. Der geht nach Leipzig. Die meisten sind nach Wien übersiedelt, die Band wird aber immer noch stark mit Graz in Verbindung gebracht.

Stephan Paulitsch: Die Wurzeln liegen ganz klar in Graz.

Die nächste Single ist, wie ich Ihrer Homepage entnommen habe, „Elise“. Da hat man sich für das dazugehörige Video etwas ganz Besonderes einfallen lassen, heißt es auf Ihrer Homepage. Was genau?

Paul Plut: Das Video kommt erst, einstweilen ist es noch in Produktion. Genau wissen wir daher auch noch nicht, wo es hingeht. Es wird aber jedenfalls mit der VIECH-Thematik spielen und ein wenig in die dadaistische Richtung gehen.

Masken spielen eine Rolle?

Paul Plut: Ja. Masken, Berge, Hendln. Aber wir wollen noch nichts verraten, sonst schimpft uns der Regisseur. Gedreht wurde in der Ramsau.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Echo auf die beiden Single-Auskoppelungen?

Paul Plut: „Zentrale“ lief in den Charts. „Oh Elise“ kommt jetzt auch schon langsam. Insgesamt wird das Album sehr gut angenommen, finde ich. Wir sind jedenfalls sehr zufrieden.

„Oh Elise“ jedenfalls hat gewaltiges Hit-Potenzial …

Paul Plut: Na ja, das würde ich jetzt vorsichtiger formulieren, aber für unsere Verhältnisse ist es schon sehr hittig.

Sie beide spielen auch gemeinsam bei Marta, einem knochentrocken rockigen Trio, das zwei ganz großartige Alben vorgelegt hat. Wie ist da die Gewichtung?

Paul Plut: Je nachdem, welcher Schwerpunkt gerade ist. Jetzt gerade liegt er auf VIECH. Und je nachdem wie der Günther [Paulitsch; Anm.] Zeit hat, der auch mit Polkov spielt, setzten wir die Schwerpunkte.

Kommerziell scheint VIECH besser zu funktionieren als Marta. Warum, denken Sie, ist das so?

VIECH Bandfoto
VIECH (c) Elisabeth Anna

Paul Plut:Marta ist vielleicht eher für die alten Säcke.

Ich nehm das jetzt nicht persönlich. Mir gefällt Marta nämlich sehr. Andererseits: Schon heftig, dass Sie Ihr Zielpublikum beschimpfen.

Paul Plut[lacht]: Das soll keine Beschimpfung sein, ich mag die Musik ja auch sehr gerne.

Aber erdiger Rock ist doch nicht unbedingt mit Musik für Ältere gleichzusetzen, dafür sorgen doch unzählige Retro-Trends und dergleichen …

Stephan Paulitsch: Hätte ich jetzt auch nicht so gesehen. Live sind die Leute jedenfalls immer sehr begeistert.

Um noch einmal auf die Texte zurückzukommen: Setzt sich Ihr Publikum mit den Texten genau auseinander? Kriegen Sie das mit?

Paul Plut: Ich denke schon, ja. Ich glaube auch, dass die Texte das Ganze ausmachen, weil sie ein großer Teil des Ganzen sind.

Aber die Texte lassen sich doch auch an der Oberfläche genießen.

Paul Plut: Das stimmt. Alle hören auch sicher nicht genau hin. Aber ich glaube, wenn man die Musik gernhat, hört man hin und beginnt zu verstehen.

Stephan Paulitsch: Wir achten schon darauf, das so rüberzubringen, dass man die Texte auch verstehen kann. Und man kommt gar nicht daran vorbei, sich mit den Texten auseinanderzusetzen – einfach, weil sie so eigen sind. Ob man will oder nicht, man muss sich ein wenig mit ihnen auseinandersetzen.

„VIECH ist Demokratie.“

Sie haben erzählt, dass, was das Texten anbelangte, jeder einmal durfte. Wie verlief der demokratische Entscheidungsprozess, welche Texte es dann endgültig auf das Album schafften? War das kompliziert oder einfach?

Stephan Paulitsch: VIECH ist Demokratie.

Paul Plut: Na ja, das war schon ein schwieriger Prozess, aber auch wichtig. Wenn man für seine Ideen nicht kämpft, dann sind sie es vielleicht auch nicht wert.

Das heißt, dass die Auseinandersetzungen hart waren?

Paul Plut: Ja, schon, aber ohne Streit.

Stephan Paulitsch: Wenn vier von fünf gegen etwas sind, dann zeigt dir das halt auch etwas.

Paul Plut: Wir haben das zum Teil ja auch mit Song-Ideen so gemacht. Das heißt, jeder hat an einem bestimmten Layout gearbeitet und das dann präsentiert. Das war teilweise hochinteressant, in welch unterschiedliche Richtungen das ging. Das fing schon beim Tempo an. Der eine sah das als Ballade, der andere als Uptempo-Stampfer.

Stephan Paulitsch: Und wenn man selbst Zeit investiert, versucht man das immer auf die eine oder andere Weise zu verteidigen. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial in sich. Aber das Tolle an dieser Arbeit ist, Dinge zu hören, auf die man selbst nie gekommen wäre.

Paul Plut: Abgesehen davon haben wir uns im Vorfeld aber schon auf einen gewissen Weg geeinigt.

Und der war?

Stephan Paulitsch: Das Verträumte, Schwelgerische wollten wir nicht mehr. Das letzte Album war wesentlich verspielter.

Paul Plut: Stimmt. „YEAH“ ist entschieden kühler geworden.

Ist das der kalten Zeit geschuldet?

Paul Plut: Vielleicht. Aber auch dem Willen, es live umzusetzen. Wenn man die Live-Situation vor Augen hat, drückt man automatisch ein wenig aufs Tempo und wird direkter. „YEAH“ ist ein klares Bandalbum geworden. Das davor war Tüftelei.

Im Februar stehen einige Shows an. Wie werden Sie das Album live umsetzen?

Paul Plut: Schlagzeug, Bass, Synthie, E-Gitarre. Und die Songs werden in die Disco-Richtung gehen. Tanzbares Gerät.

Wo werden Sie spielen?

Paul Plut: Hauptsächlich in Österreich, vielleicht auch in Süddeutschland. Man muss mal schauen, wie es angenommen wird.

Stephan Paulitsch: Im Fokus sind auf jeden Fall auch Deutschland und die Schweiz.

Hat VIECH aus Ihrer Sicht eine politische Dimension?

Paul Plut: Unsere Texte haben keine klare politische Aussage. Aber wenn uns jemand fragt, beziehen wir klare Stellung.

Stephan Paulitsch: Wir wollen Haltung zeigen. Parolen aber lehnen wir ab.

Paul Plut: Andererseits arbeiten wir selbst mit Parolen. Zum Beispiel: „Wir sind die Halsabschneider“, oder auch vom letzten Album: „Steuermann, wir fahren gegen Gestern.“ Wenn man gerade den Satz in einen politischen Kontext setzen will, kann man das schon tun. Dann sagen wir halt, dass unser System gerade in eine falsche Richtung steuert. Kann man so sehen, muss man aber nicht. Das Gute an Texten ist doch, wenn sich alle ihren eigenen Reim darauf machen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger


VIECH live
16.02. Radiokulturhaus, Wien
04.03. Generalmusikdirektion, Wien

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