Gert Jonke-Preis 2013

1992 sagte Peter Handke in einem Gespräch über Theater und Literatur auf die Feststellung, dass Gert Jonke sich jahrelang eingesponnen hätte in den feinen Ton einer Musikkünstler-Prosa, in Geschichten über Kunst, Künstlichkeit und Wahnsinn, danach lange Zeit verstummt wäre und sich nun wieder mit Stücken zeige, weil er aufs Theater wolle: Gert Jonke ist auch ein Einzelgänger, der in immer imponierenderen Spiralen sich immer mehr verengt hat. Aber ich glaube, dass er jetzt mit dem Theater eher herausfindet als mit der Prosa.(…)Aber sowas ist natürlich leicht gesagt, denn andererseits ist der Magnetismus des Schreibens, wenn man einmal eine Spur gefunden hat, sehr stark, dass man schon den gordischen Knoten bemühen muss, um da wieder herauszukommen. Und so muss man wieder ganz neu anfangen oder zumindest der Fiktion folgen, dich hinzusetzen, als ob du noch nie ein Wort geschrieben hättest. Wer das (wie Jonke) vermag, hat eine wunderbare Gabe. DAS ist meisterhaft. In seinen Theaterstücken hat sich Gert Jonke (1946-2009) nicht nur aus seinen imponierenden Spiralen herausgefunden, vielmehr näherte er sich mit ihnen dem Traum des Kleistschen Marionettentheaters: Nach einer Weltreise des Geistes über eine zweite Naivität noch einmal von hinten ins Paradies zu gelangen. Nach einem Juryentscheid über den Auszuzeichnenden wird am 7. März zum zweiten Mal der Gert Jonke-Preis vergeben. Der Preis, dem der Poet seinen Namen gibt, wurde auf Anregung Josef Winklers vom Land Kärnten und der Stadt Klagenfurt gestiftet.

Das Kriterium für den Träger, mit Blick auf die Literatur Gert Jonkes, die ästhetischen Potentiale der Sprache freilegen und weiterentwickeln, wurde von Klaus Amann, im Einvernehmen mit der Nachlassverwalterin Ingrid Ahrer, festgeschrieben. Der Gert Jonke-Preis wird jedes ungerade Jahr im Wechsel für Prosa, Dramatik und Lyrik vergeben. Den Träger sucht eine international besetzte, dreiköpfige Jury. Erster Preisträger war der  Sprachverknapper Alois Hotschnig. Der Ort der heurigen Preisübergabe ist der literarischen Gattung adäquat: Die Bühne des Stadttheaters.

Den Programmablauf der Preisvergabe 2013 gestaltet die GERT-JONKE-GESELLSCHAFT, die kürzlich zur Förderung der Rezeption des Werkes von Gert Jonke, sowie die Förderung der künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem gegründet wurde, im Sinne des Namengebers, im Rahmen einer künstlerischen Gesamtveranstaltung, zu deren Höhepunkten die Uraufführung der Komposition Hommage an Gert Jonke von Wolfgang Seierl gehört (Gespielt wird diese vom Koehne Quartett). Und weil die Musik zu Gert Jonke gehört wie die Buchstaben zum Alphabet, plant die GERT-JONKE-GESELLSCHAFT für jede kommende Preisverleihung einen Kompositionsauftrag.

Gert Jonke wollte auf das Theater, war aber naturgemäß kein Dramatiker im traditionellen Sinn. Aber seine Verweigerung landläufige Stücke zu schreiben, war und ist eine Bewältigungsherausforderung an das Theater. Eine äußerst produktive, weil Jonke die poetologischen Gattungen zwar missachtete, seine Prosa ist oft dramatisch, seine Dramatik nähert sich der Prosa, aber über die rhythmisch-rhapsodisch geschriebene Sprache, die sich aus dem Körper herauskatapultiert und dann wie eine Satzflut hemmungslos poetisch zu rollen anfängt, entsteht eine ungeheure Dynamik, eine Dynamik, in der die Sprache sich lawinenartig selber weitertreibt, eine Sprache, die dramatisch ist, ohne eines traditionellen Handlungsverlaufes zu bedürfen. Diese Sprache mit dem ihr innewohnenden poetischen Zauber auf die Bühne zu bringen, lotet die Grenzen der Theaterkunst aus. Aber wenn ein  Regisseur sich auf ihre Magie verlässt, und wenn diese Magie aus den Mündern der Schauspieler herauskatapultiert wird, dann wird der Theatersitz zum Paradiessessel.
(Wilhelm Huber)