CHRISTOF KURZMANN, der diesjährige Kurator des Festivals UNLIMITED im Gespräch.

Um nicht nur im eigenen Saft zu schmoren, lädt die Welser Kulturinitiative WASCHAECHT für ihr Festival UNLIMITED alle zwei Jahre eine Gastkuratorin bzw. einen Gastkurator ein. Heuer, im 29. Festivaljahrgang, traf die Wahl den Wiener Musiker, Sänger und Organisator CHRISTOF KURZMANN. Unter dem Titel „charhizmatic music“ versammelt er von 6. bis 8. November 2015 breit gestreute Musiken im ALTEN SCHL8HOF und an den UNLIMITED-Außenstellen.

Am Anfang, sagte Kurzmann im Gespräch, wäre die Frage gestanden, ob er als Kurator dem Festival ein bestimmtes Thema verpassen sollte oder nicht. Schließlich hat Christof Kurzmann bereits etliche thematisch strukturierte Festivals auf dem Gewissen. Man erinnere sich etwa an das Elektronik-Meeting bei phonoTAKTIK und beim Picknick mit Hermann, an die Präsentation japanischer Improvisationskunst bei uchiage (dt.: Feierabend) oder an hyperstrings, das sich zeitgenössischer Gitarrenmusik widmete. Oder auch an collective identities, in dem Kurzmann dem Hype um Österreich-, Europa- und Welturaufführungen mit der Programmierung über lange Zeit erprobter Ensembles begegnete. Nun also unlimited – für das Kurzmann den Entschluss fasste, ihm kein Thema voranzustellen.

Eine zentrale Überlegung Kurzmanns ist es, die Position des Kurators von jener des Musikers strikt zu trennen. Woraus folgt, selbst nicht in Wels aufzutreten. Davon haben ihn die Veranstalter insofern abgebracht, als er zweimal selbst mitwirken wird, einmal im Quartett Harmolodic Affection mit Joe McPhee, Isabelle Duthoit und Michael Zerang, einmal im Projekt Scanning Grisey mit Gerald Preinfalk, Ernesto Molinari und Uli Fussenegger.

Viel zu geringes Budget

„Ich hatte eine Liste mit circa 40 Musikerinnen und Musikern, die ich gerne dabeigehabt hätte“, sagte Kurzmann. Er wollte bei der Auswahl dem Vorwurf der Freunderlwirtschaft ausweichen. Das die Auswahl insofern erschwert, als er mit den Leuten, mit denen er selbst spiele, auch befreundet sei. Geplant war überdies ein Schwerpunkt zu zeitgenössischer Musik aus Lateinamerika. „Das gibt es sonst nirgends, und da kenne ich mich aus.“ Schließlich ist Argentinien die zweite Heimat Kurzmanns und Buenos Aires – neben Wien – seit Jahren sein zweiter Lebensmittelpunkt. Da gäbe es so viele fantastische Musikerinnen und Musiker, die in unseren Breiten völlig unbekannt seien. Es tue ihm außerordentlich leid, dass dieser Plan gescheitert sei, weil unlimited – verglichen mit anderen Festivals ähnlichen Ausmaßes – ein viel zu geringes Budget habe.

Dem Programm auf der Hauptbühne fügt Christof Kurzmann eine Vielzahl an kurzen Solokonzerten hinzu – und sorgt so gewissermaßen über die Hintertür doch noch für ein Festivalthema. Dahinter stehe einerseits die Absicht, noch zusätzlich Leute, vorwiegend aus Österreich, ins Boot zu holen, darunter übrigens gleich vier Pianistinnen. Und andererseits findet Kurzmann, dass Solokonzerte auf anderen Festivals weit unterrepräsentiert sind. Immerhin stehe hier die Bedeutung persönlicher Musikgewinnung im Zentrum. „Im Solokonzert ist das Individuum am fokussiertesten“, nannte Kurzmann sein Hauptmotiv. Er selbst müsse sich hingegen immer mit jemandem austauschen, wenn er improvisieren wolle. Darum sei für ihn das Duo die kleinste und anregendste Form des Austauschs. Es bedeute zugleich mehr individuellen Freiraum und mehr Verantwortung. Seine Duo-PartnerInnen (Ken Vandermark, Sofia Jernberg, Mats Gustafsson, Burkhard Stangl u. v. a. m.) seien dementsprechend breit gestreut, „und ich lerne selbst immer am meisten dabei“.

Scheitern am Original

Im ausführlichen Gespräch mit Philipp Schmickl für dessen Publikation theoral sagte Kurzmann: „Es geht um die Rekontextualisierung von Dingen. Und das find’ ich irrsinnig spannend. Das ist eine meiner Hauptbeschäftigungen überhaupt in meinem musikalischen Werk … wo Ornette Coleman auf einmal mit Neil Diamond zusammengeht und der Maly Nagl. Es ist nicht mein einziges Interesse, aber ich seh’s als eine meiner Aufgaben.“

Was sich über die Jahre zu einer Art Leitfaden entwickelt habe, zu einem Motto über dem Ganzen, sei das Scheitern am Original. Das sei ihm erst unlängst bewusst geworden. Was ihn aber an der Unmöglichkeit der Umsetzung sehr wohl fasziniere, sei der Effekt, dass bei jedem Scheitern etwas Interessantes entstehen könne. Als Ausgangspunkt für gescheiterte Aneignungen nannte Christof Kurzmann folgende Situation: „Was passiert, wenn ein Material falsch abgebildet wird? Oder wenn einmal Verworfenes als neue Qualität wiederzuentdecken ist?“ Anderes Beispiel: Ein Kammermusik-Ensemble, für das er etwas komponieren sollte, habe von ihm Partituren verlangt. „Das geht dann einfach nicht“, sagte er. „Das Akademische bleibt mir verschlossen. Ein Stück vorzusingen, wie Mingus es gemacht hat, geht auch nicht. Was geht, sind Samples“, erklärte Christof Kurzmann und kam lächelnd zu der Schlussfolgerung: „Ich bin halt doch ein Computermusiker.“

Alois Sonnleiter

Foto Christof Kurzmann (c) Lisbeth Kovacic

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