Porträt: Sofa Surfers

Faul auf der Couch herumlümmeln? Nicht die Sofa Surfers. Seit weit über einem Jahrzehnt ist das Kollektiv auf musikalischer Ebene aktiv tätig und hat von Europa bis New York alle Länder bespielt, die mit dem geschmeidigen „Vienna-Sound“-Virus infiziert wurden. Zwischen Synthie, Drum Machine, Instrumentation und audiovisuellen Kollagen bewegt sich das herausragende Konzept der Musiker, die 2010 mit „Blindside“ ihr bislang letztes Werk geschaffen haben.

Klangliche Stagnation scheint im Wortschatz der sechs Wiener nicht vorhanden zu sein. Was 1997 mit Downbeat begann, hat sich im Laufe der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt. Im musikalischen Curriculum Vitae finden sich unter der Kategorie „Weiterbildungsmaßnahmen“ Stichworte wie Breakbeat, Trip Hop, Postrock, Dub, Techno und so einiges mehr.

Die heimische Formation, im Grundgerüst bestehend aus Markus Kienzl, Michael Holzgruber,Wolfgang Frisch und Wolfgang Schlögl ließ erstmals ganz groß aufhorchen, als Kollege Richard Dorfmeister ihren Track „Sofa Rockers“ aus dem Debütalbum „Transit“(1997) auf der Platte „The K&D Sessions“ veröffentlichte. Bis heute wird „Sofa Rockers“ in den stylischen Kaffeehaus – Lounges weit über die Wiener Stadtgrenzen hinaus, rauf und runter gespielt und ist außerdem auf dem Soundtrack des Kinofilms „Anatomie“ vertreten. Noch vor Veröffentlichung des zweiten Longplayers „Cargo“ (1999) folgten Remixaufträge unter anderem für Skunk Anansie, Femi Kuti und Cornershop. Spätestens Werk Nummer 3 namens „Encounters“ (2002) machte die Sofa Surfers auch in Übersee bekannt. So wurde die Platte in den Vereinigten Staaten unter dem Titel „See the Light“ veröffentlicht, welche nicht nur namentlich an den amerikanischen Markt angepasst wurde, sondern außerdem einige Nummern des Vorgängeralbums enthält. Das lässige Spiel mit Atmosphären und akustischer Modulation wurde zu ihrem Markenzeichen und ist im Laufe ihres Prozesses stets als Kunstkonzept beibehalten worden. Bei Live Auftritten macht man sich die Visualkunst zu Nutze. Dem Publikum wird eine audiovisuelle Performance vorgeführt, die sicherlich zum hypnotischen Trance-Zustand beim ein oder anderen Zuseher führt.

Selbst wenn in den letzten Jahren viele Vertreter der international angesehenen „Wiener Schule“ in der Senke verschwunden sind haben es die Sofa Surfers stets geschafft, sich im Sog der musikalischen Schnelllebigkeit und Reizüberflutung über Wasser zu halten. Man wagte Neues, hat nach langer Zeit des digitalen Musizierens schließlich die Instrumente ausgepackt und einen Gastsänger ins Studio geholt. Das selbstbetitelte „rote Album“ entfernte sich dadurch stark von den Dub-lastigen Vorgängern „Cargo“ und „Encounters“ und drängte in die Schiene des Minimal-Rock, wo Mani Obeya mit R’n’B belegter Stimme zu Wort kam, sowie für völlig neue Bandattribute sorgte. Nach einer langen Pause erschien März 2010 das bislang letzte Album „Blindside“, in welchem Mani Obeya erneut den Gesangspart übernahm und sich somit einen festen Platz in der Sofa Surfers-Formation sicherte. Untätig war man in der Zwischenzeit dennoch nicht; man wendete sich vermehrt dem Film zu, zeigte sich  für den Soundtrack rund um die Simon Brenner- Krimis „Komm süßer Tod“, „Silentium“, sowie „Der Knochenmann“ verantwortlich. Gemeinsam mit dem hauseigenen Visualisten Timo Novotny bastelte man am Kunstprojekt „Life in Loops“, welches sich als gelungener Filmremix von Michael Glawoggers „Mega Cities“ entpuppte und bei Filmfestivals für mehr Aufsehen sorgte als das Original selbst. Nun versucht man weiterhin in diesem Feld tätig zu bleiben, muss man sich in der Zwischenzeit jedoch auch den einzelnen Soloprojekten zuwenden.

Wolfgang Schlögl bespielt schon seit langem unter dem Pseudonym I-Wolf die Clubs der Welt und ist außerdem ein Teil des Jazzprojektes “The Slow Club“. Für akustischen Paradigmenwechsel sorgt außerdem Markus Kienzl; im Alleingang bringt er knarzigen Acidsound mit urbanen Dub-Reggae sowie frischen Trip Hop-Effekten zur Fusion und führt diese sowohl live als auch als physisches Produkt dem Hörer nahe. Selbst internationale Computerspielproduzenten wurden auf den Sound des Wieners aufmerksam. So findet sich der Track „Dundy Lion“ auf einem gängigen Playstation3/Xbox-Game wieder. Wolfang Frisch veröffentlichte 2008 unter seinen eigenen Label „Shield and Spear“ das elektro- experimentelle Werk „The Hundred“.

Die Sofa Surfers sind ihrem heimischen Fans stets treu geblieben. Fleißig wird bei diversen Festivals aufmarschiert und viele Konzerte gespielt. Das Publikum dankt ihnen dafür, ist stolz, dass sie neben den Kollegen Kruder & Dorfmeister noch immer als Vorzeige-Band der „Wiener Schule“ präsentierbar sind. Auch wenn diese spezielle Genrebezeichnung schon längst nicht mehr so gängig ist, hofft man doch noch immer insgeheim darauf, dass der ehemals gewürdigte „Vienna Sound“  ein neuerliches internationales Comeback erleben darf. Wenn das passiert, dann sicherlich nicht mehr so chillig dahinschlurfend wie zu Beginn der Dekade, wenn dann schon mit einem leicht aufgerüsteten Sound, der trotz allem die Gemütlichkeit des Ur-Wieners repräsentieren soll. – Retro war gestern, Retro ist heute- die Sofa Surfers auch. Ihr unverwechselbarer Vibe bestimmt die heimische Musikszene, der auch in Zukunft dort nicht vermisst werden will. Zu Recht haben die Sofa Surfers dieses Jahr den Amadeus Award in der Kategorie Electronic/Dance gewonnen. (bw)

Fotos: Ingo Pertramer, Gerald Schober

http://sofasurfers.info/
http://www.myspace.com/sofasurfers