Porträt: Jazzwerkstatt Wien

Ein Ort, an dem Neues und Ungewöhnliches erprobt werden sollte, eine Plattform für junge und talentierte MusikerInnen, die sich in ihrem Schaffen nicht mehr damit begnügen, alt eingetretene traditionelle Pfade zu verfolgen, sondern sich vielmehr darum bemühen, Grenzen zu durchbrechen, ein Platz des von jeglichen Scheuklappendenken befreiten Experimentierens an dem spannende musikalische Visionen verwirklicht werden können, die erste Anlaufstelle für den innovativen heimischen Jazz, dessen ProtagonistInnen sich auch zu anderen Spielformen hin orientieren, das alles wollte die Jazzwerkstatt Wien einst bei ihrer Gründung 2004 sein. Und genau das alles ist sie auch geworden. Spricht man heute über die Jazzszene Österreichs, kommt man an der Erwähnung dieses Vereins als ein wichtiges und inzwischen international bedeutendes Aushängeschild dieser nicht mehr vorbei.

Als die sechs Nachwuchsmusiker Clemens Wenger, Clemens Salesny, Wolfgang Schiftner, Daniel Riegler, Bernd Satzinger und Peter Rom in der ersten Hälfte der 2000er Jahre den Beschluss fassen, einen Verein zur Förderung der jungen Wiener Jazzszene zu gründen, ist ihnen wohl noch nicht ganz bewusst, welche besondere Bedeutung diesem einmal zukommen wird. Lange Zeit scheint es fast so, als würde die Fahne des Jazz hierzulande alleine von den etablierten KünstlerInnen hochgehalten. Und das trotz der hohen Zahl an AbsolventInnen, die Jahr für Jahr nach Beendigung ihres Studiums die Universitäten und Konservatorien verlassen. Der jungen Generation bieten sich zu dieser Zeit einfach zu wenige Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Doch Clemens Wenger, Clemens Salesny, Wolfgang Schiftner, Daniel Riegler, Bernd Satzinger und Peter Rom denken nicht daran, ihre Köpfe in den Sand zu stecken. Das Heft selbst in die Hand nehmend, schließen sie sich zu einem Kollektiv zusammen und gründen die Jazzwerkstatt Wien, die zunächst in den Räumlichkeiten des Wiener WUK angesiedelt ist.

“Die Idee war, Leute zu suchen, die ihre eigenen Projekte am Laufen haben und ihre eigene Musik spielen. Zum Teil haben wir uns zu Beginn noch gar nicht gekannt. Ich habe zum Beispiel, einmal vom Raphael Preuschl zwei CDs mit Proberaummitschnitten von Peter Rom bekommen, die voller Titel waren und alle wie Studioaufnahmen geklungen haben. Und da habe ich mir gedacht, mit dem muss man was machen. Und Clemens Salesny hat über irgendein Projekt den Daniel Riegler gekannt und gesagt, der schreibt sehr viel Musik, die in Richtung Komposition geht. Und so weiter. Irgendwann haben wir sechs uns eben zusammengerufen, getroffen und die Jazzwerkstatt auf die Beine gestellt”, so Clemens Wenger über die Gründung der Jazzwerkstatt in einem mica-Interview 2009.

Was die sechs Jazzer im Sinne haben, ist die Schaffung einer professionellen musikalischen Plattform, die dem Geiste der Offenheit zu allen Richtungen hin folgend, ein Ort der kreativen Verwirklichung und künstlerischen Entfaltung sein soll. Schon die ersten realisierten Projekte zeigen, dass die Beteiligten sich in ihrem Tun in keinster Weise einschränken lassen und, sich ganz dem Namen ihres Vereins verpflichtet fühlend, viele neue musikalische Wege beschreiten. Einzig die Vorgabe, mit dem Begriff des Jazz so unpuristisch wie möglich umzugehen, lässt sich als ein übergeordnetes Motto heranziehen. Und diese Freiheit heißt es, in allen Formen zu zelebrieren. “Die Jazzwerkstatt soll ja keine Fachidioten-Gruppe sein. Wir kommen ja alle aus verschiedenen Sparten, haben verschiedenes gelernt. Daniel kommt aus der Klassik, er hat Klassikposaune studiert und arbeitet mit klassischen Ensembles, wie etwa dem Klangforum zusammen und bringt uns bei, wie man etwas effizienter probt. Der Wolfgang Schiftner ist ein unglaublicher Improvisator, der verrückteste Sachen aus dem Ärmel schüttelt, der Peter Rom ist sehr genau und hat sehr viel Erfahrung. So vermischt sich in der Jazzwerkstatt alles”, so Clemens Wenger 2009.

Es entstehen schnell einige überaus spannende CD-Produktionen, deren stilistische Breite sich von zeitgenössischen und genreübergreifenden Kompositionen bis hin zur avantgardistischen Improvisation erstreckt. Um ihr Schaffen auch dokumentieren und vermarkten zu können, beschließen die sechs Musiker 2005 ein eigenes Laben zu gründen. In das gleiche Jahr fällt zudem das erste von insgesamt fünf vom Musiker-Kollektiv veranstalteten und hervorragend besuchten Jazzwerkstatt Festivals, in dessen Rahmen mit geladenen und befreundeten Gästen aus dem In- und Ausland dem Wiener Publikum Jazz in all seinen Facetten und Spielformen nähergebracht wird. Der Bekanntheitsgrad der Jazzwerkstatt steigt und mit diesem auch seine Stellung in der heimischen Musikszene. Speziell für VertreterInnen der jungen Jazzgeneration stellt der Verein, der 2006 zudem auch noch den Hans-Koller-Preis für den „Newcomer des Jahres“ entgegen nehmen darf, eine immer wichtiger werdende Anlauf- und Vernetzungsstelle dar.

Aber nicht nur hierzulande erregen Clemens Wenger, Clemens Salesny, Wolfgang Schiftner, Daniel Riegler, Bernd Satzinger und Peter Rom, die ihren Verein zudem als wichtige Musikvermittlungsstelle für das jüngere Publikum verstehen, mit ihrer Idee einer kreativen Musikwerkstätte Aufsehen. Auch anderswo wird man aufmerksam auf dieses ambitionierte musikalische Projekt. MusikerInnen und KomponistInnen, wie etwa aus Schweiz und Deutschland, erkennen in der Jazzwerkstatt Wien ein erfolgsversprechendes Modell und versuchen selbst ähnlich ausgerichtete Vereine ins Leben zu rufen. Ebenfalls folgen zahlreiche Einladungen zu international bedeutenden Festivals, wie etwa zum New Jazz Festival Moers, zum Jazzfest Wiesen, zum Jazzfestival Saalfelden, zum Jazzfest Wien, zu den Wiener Festwochen und, und, und.

Heute sind die Jazzwerkstatt Wien, die aktuell mit zwei hochinteressanten Veranstaltungsformaten, dem genreübergreifenden Festival Vienna Roomservice und der ZOOM! Konzertreihe, am Start ist, wie auch seine sechs Begründer ein fester und prägender und nicht mehr wegzudenkender Teil der heimischen Musikszene. So etwa definiert Clemens Wenger mit den 5/8erl in Ehr`n gerade höchst erfolgreich das Wienerlied neu, während Daniel Riegler mit seinem Großensemble Studio Dan aufsehenerregend den Jazz hin zu allen Spielformen öffnet. Ebenfalls nicht untätig sind Bernd Satzinger, Peter Rom, Clemens Salesny und Wolfgang Schiftner, die allesamt in den unterschiedlichsten Projekten und Formationen Neues und Stileübergreifendes zum Erklingen bringen.

Jazz findet in Österreich auf allerhöchstem Niveau und in vielfältigster Form statt. Und dies wird erfreulicherweise inzwischen auch außerhalb der Szene wahrgenommen. Einen nicht kleinen Beitrag zu dieser erfreulichen Entwicklung leistet die Jazzwerkstatt Wien, deren Mitglieder beweisen, dass mit einer ordentlichen Portion Enthusiasmus, Offenheit und viel Liebe zur Musik so einiges auf die Beine zu stellen möglich ist. (mt)

 

http://www.jazzwerkstatt.at