mica-Interview mit Braaz

Seit sieben Jahren spielen Gigi Gratt (Gitarre, Trompete), Martin Flotzinger (Schlagzeug), Marcus Huemer (Bass) und Werner Zangerle (Saxofon) nun bereits gemeinsam als Braaz, wo sie es zwischen den Eckpunkten Free Jazz und Noiserock gewaltig rumpeln lassen. Im Interview spricht Werner Zangerle über die Band, die es nach langer Durststrecke nun auch geschafft hat, gleich zwei Tonträger unters musikhungrige Fanvolk zu bringen. Am 2.12. (Wien) und 4.12. (Linz) stehen gerade außerdem zwei Konzerte auf dem Spielplan. Das Interview führte Michael Masen.  

Anfang des Jahres habt ihr gleich zwei Tonträger mit verschiedenen Inhalten veröffentlicht. Die CD “So” und das Vinyl-Album “Da”. War das schon immer so geplant, oder hat sich das einfach so ergeben, weil ihr so viele gute Stücke hattet?

Es war von Anfang an geplant, dass wir das so machen werden. Der Gigi war da auch sehr dahinter, weil er unbedingt eine Veröffentlichung auf Vinyl haben wollte. Und da wir jetzt schon seit 2002 als Band zusammen spielen, aber noch keinen offiziellen Tonträger hatten, haben wir uns dazu entschlossen, es gleich ordentlich anzugehen. Jetzt gibt es eben die CD “So”, die LP “Da” und noch ein T-Shirt “La”.

Gibt es einen besonderen Grund, warum ihr euch mit der Veröffentlichung des ersten Albums so lange Zeit gelassen habt?

Wir spielen mit Braaz wirklich schon ewig zusammen und es gefällt uns allen auch sehr gut, nur ist es eben doch so, dass es halt nur quasi ein Zweitprojekt von jedem von uns ist. Darum wird es leider auch immer wieder ein wenig stiefmütterlich von uns behandelt.

Braaz ist jedenfalls primär als Live-Band angelegt. Davon zeugt auch das Tonmaterial für die Alben, das wir ebenfalls live eingespielt haben. Zum Einen im Rahmen eines Konzertes in Christoph Amann’s Studio, zum Anderen haben wir auch ansonsten im Studio immer eher einfach drauf los gespielt, anstatt ewig lange an irgendwelchen Tracks herum zu basteln.

Gibt es dann bei euch in der Band immer jemanden, der sozusagen den anderen in den Hintern treten muss, damit etwas weiter geht, oder entwickelt sich das bei euch immer alles einfach so?

Nein, da braucht es schon jemanden, der ein wenig darauf schaut, dass etwas weiter geht und der auch die anderen antreibt.

Wer übernimmt diese Rolle bei euch?

Ein bisschen sitzt in dieser Hinsicht dem Gigi der Stiefel locker, aber was die aktuellen Tonträger betrifft, war ich es, der die Termine ausgemacht und die Aufnahme organisiert hat. Die Covergestaltung und Labelsuche hingegen haben wir dann wieder alle gemeinsam gemacht.

Finden sich auf den beiden Alben ausschließlich improvisierte Stücke oder doch auch komponierte Sachen?

Ein paar Nummern gibt es, die wurden schon komponiert. Gleich die erste Nummer auf der CD, “Ori”, wurde vom Gigi geschrieben. Dann gibt es noch ein Stück namens “Walzenheim”, das ist von mir und mit “Müsle, gang ga schlofa!” findet sich am Ende der CD noch die Bearbeitung eines Vorarlberger Schlaflieds für ein Free Jazz Quartett von unserem Bassisten Marcus Huemer. Ansonsten besteht der Großteil der Stücke aus Improvisationen bzw. Konzeptimprovisationen, wo man sich vorher schon ein wenig überlegt hat, was man machen möchte.

Eure Stücke sind stilistisch ja sehr breit gefächert ausgefallen. Gibt es irgendein übergeordnetes Konzept oder habt ihr die Sachen quasi zusammenhanglos auf den Tonträgern verewigt?

Genau letzteres. Wir haben einfach im Studio drauf los gespielt. Natürlich kommt es uns dabei aber schon zugute, dass wir bereits seit 2002 miteinander musizieren, aufeinander eingespielt sind und dementsprechend auch super aufeinander reagieren können. Da entwickelt sich das ganz automatisch, wo es hin geht und wer in welcher Situation was spielt.

Wie lange habt ihr insgesamt für die Fertigstellung der Alben gebraucht?

Das waren eigentlich wirklich nur ein Live-Studiokonzert bei Christoph Amann und tags darauf noch ein ganzer Tag im Studio, wo wir halt durchgespielt haben. Damit war dann aber auch schon alles eingespielt.

Haben sämtliche Stücke, die in dieser Session entstanden sind, letztendlich auch ihren weg auf einen der beiden Tonträger gefunden?

Nein, nachdem wir wirklich den ganzen Tag lang aufgenommen haben, hat es natürlich auch Ausschuss gegeben. Es läuft ja auch von der Konzentration nicht immer gleich gut. Da gab es schon hin und wieder ein paar Tiefs, wenn auch an diesem einen Aufnahmetag erstaunlich wenige.

Haben die Namen der Stücke irgendeine tiefere Bedeutung? Auf den ersten und auch zweiten Blick wirken sie ja eher wie Phantasiegebilde, die einfach einem beliebigen Stück zugelost wurden.

Zugelost nicht. Wir sind schon einmal so alle zusammen gesessen und haben versucht, die Stimmung des jeweiligen Liedes in Worte zu fassen. Und dabei kommen halt dann auch so Sachen wie “Aurora Pulsialis” oder “Die Blaue Elise” heraus.

 
Welche Resonanz bekommt ihr generell bezüglich der beiden Alben?

Gute bis sehr gute eigentlich. Live sind die Reaktionen sowieso immer sehr positiv aber auch die Tonträger sind, sowohl im In- als auch Ausland, sehr gut angekommen. Ein äußerst gutes Review hat beispielsweise Andreas “Felix” Fellinger im Freistil geschrieben und auch Marcus Maida hat sich begeistert gezeigt. Aber wie gesagt, die positiven Rückmeldungen sind von allen Seiten gekommen.

Wenn es negative Meinungen gegeben hat, dann haben sich die immer auf die stilistische Vielfältigkeit bezogen. Den Neue Musik-, Jazz- und Impro-Leuten waren die Stücke oft zu rockig, den Rockern wiederum zu frei angelegt. Hinzu kommt schließlich noch die sehr unterschiedliche Länge der Stücke, die alle zusammen einen recht bunten Fleckerlteppich ergeben. Uns selbst gefällt diese Vielfalt sehr, aber manche Hörer kommen damit einfach nicht zurecht.

Glaubst du, dass es durch diese stilistische Offenheit und damit verbunden, der Schwierigkeit, euch irgendwo einzuordnen, komplizierter ist, geeignete Auftrittsorte zu finden?

Ja, das glaube ich schon. Die Booker schieben das dann immer so ein wenig von sich weg.

Eure Alben sind bei Zach Records erschienen. Wie seid ihr auf dieses Label gekommen?

Dabei handelt es sich um ein kleines aber feines Linzer Label, das Freunde von uns machen und mit dem wir wirklich total glücklich sind. Die haben unsere Aufnahmen einfach total super gefunden und wollten die Alben unbedingt raus bringen. Sie sind auch lose mit dem Goon Studio verbandelt, wo wir die Sachen schließlich auch gemischt haben. Wir hätten aber auch noch von anderen Labels Zusagen gehabt.

Denkt ihr auch bereits wieder daran, eine neue Platte aufzunehmen?

Eigentlich nicht. Wir müssen jetzt erstmal noch die ganzen Aktivitäten für die aktuellen Alben verdauen. Also Aufnehmen werden wir eher nicht in nächster Zeit und es gibt auch noch keine Überlegungen dazu, wie ein neues Album aussehen könnte. Viel mehr wollen wir jetzt wieder live Musik machen.

Also bist du mit den alten Sachen noch voll zufrieden?

Ja, doch. Bei mir ist es aber generell so, dass ich mir die eigenen Sachen nicht mehr so oft anhöre. Nicht, weil sie mir nicht gefallen, sondern weil man sich nicht irgendwie selbst beeinflussen möchte. Ich will vielen verschiedenen Einflüssen gegenüber offen bleiben.

Wenn ihr die meisten Stücke sowieso live im Studio einspielt, gibt es da vielleicht auch Überlegungen, bei Konzerten einfach ein Aufnahmegerät mitlaufen zu lassen und besonders gute Auftritte dann zu veröffentlichen?

So was haben wir eigentlich kaum gemacht, also nein.

In den nächsten Tagen hat man aber ohnehin wieder die Gelegenheit, euch live hören zu können. Wo spielt ihr da genau?

Wir spielen am 2.12. im Wiener Blue Tomato und zwei Tage später, am 4.12. in Linz im Cheeese. Dieses Konzert wird von einem neuen Verein namens Jazz in Linz veranstaltet.

 
Sind ansonsten noch andere Konzerte in Planung?

Konkret gibt es momentan noch nichts, aber von der Jazzwerkstatt Graz ist gestern erst eine Anfrage rein gekommen. Dazu kann ich aber noch nichts Genaueres sagen.

Befindet ihr euch also schon noch auf einer Ebene, wo man sich selbst sehr viel um Auftrittsmöglichkeiten kümmern muss, anstatt dass jemand auf euch zukommt.

Ja, genau so ist das.

Gibt es Pläne, diese Bestrebungen zu intensivieren oder seid ihr von euren anderen Projekten zu viel in Anspruch genommen?

Nein, wir sind eh beständig dabei, Sachen zu organisieren.

Was spielt sich sonst aktuell in Sachen Musik noch bei dir ab?

Ein Projekt, das gerade am Werden ist, ist das Trio Zavocc, an dem neben mir selbst noch Christoph Cech am Klavier und Raimund Vogtenhuber an den Electronics beteiligt sind. Wir waren kürzlich auch erst im Studio um ein Album aufzunehmen, das nächstes Jahr erscheinen wird.

Handelt es sich dabei ebenfalls hauptsächlich um eine Impro-Geschichte oder spielt dabei Komposition eine größere Rolle?

Beides. Wobei der Kompositionsanteil im Vergleich zu Braaz doch eine größere Rolle spielt. Natürlich wird auch improvisiert, aber nachdem sich in diesem Projekt jetzt drei Komponisten zusammen gefunden haben, finden naturgemäß auch viele Kompositionen ihren Weg auf das Album.

Ist es manchmal auch schwierig, dass in einer Band gleich drei Leute komponieren?

Nein, das funktioniert bei uns reibungslos. Es ist auch hier wieder so, dass die Stücke sehr unterschiedlich ausfallen. Das ist genau das, was uns allen aber so gefällt. Wenn etwas nicht funktioniert, dann merkt man das ohnehin recht schnell und lässt es einfach weg oder man arbeitet so lange daran, bis letztendlich doch ein zufriedenstellendes Ergebnis zutage gefördert wird.

Diese Platte erscheint dann nächstes Jahr?

Ja. Fertig eingespielt ist schon alles, jetzt muss das nur noch gemischt und gemastered werden.

Wird sie ebenfalls auf Zach Records erscheinen?

Das wissen wir noch nicht genau. Mit Braaz haben wir aber jetzt jedenfalls gemerkt, dass so was eigentlich fast nur über persönliche Bekanntschaften geht. Labels werden ja normalerweise auch von anderen engagierten Bands mit Material überhäuft und wenn man da nicht zumindest eine Connection hat, so macht das relativ wenig Sinn, sich da zu melden.

Vielen Dank fürs Interview.
 

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