Rotzpipn – Im Pfusch

Wo wird in Wien gereimt, ohne poetisch sein zu wollen, gesungen, ohne die Töne halten zu wollen und musiziert, ohne dem Wörtchen „schön“  gerecht werden zu wollen? In Simmering, was zumindest laut den Rotzpipn, das wahrscheinlich schönste Fleckchen Wiens ist. Aber das ist natürlich nur sarkastisch, und Sarkasmus ist eines der Steckenpferde der Rotzpipn. Nach einer Wartezeit von nur einem Jahr bringen die vier Simmeringer ihren zweiten Langspieler „Im Pfusch“ auf den Markt, den sie mit üppigen 15 Liedern und einem Hidden Track bestückt haben.

Dass dieses 16. Lied ein satirisches Loblied auf Koks ist, sagt einiges über den Stil und die Gesinnung der Band aus. Natürlich soll hier nicht der Drogenkonsum verherrlicht werden, viel mehr werden Fernsehstars und Bordell-Besucher durch den Kakao gezogen. Und dieser Kakao ist eine wahrlich stinkende, zähflüssige Masse, schließlich wollen die Rotzpipn die Opfer ihres verbalen Terrors  schön darin versenken. Aber nicht, dass man denkt, sie würden sich selber außen vor lassen, denn sie als Gemeindebaubewohner, sie als Österreicher und sie als Gelegenheitssäufer werden oft als Protagonisten der Spottlieder herangezogen.

Und wie es das „klassische“ Spottlied verlangt, ist die Musik eine Mischung aus Wienerlied, Sozi-Punk und Volksmusik. Dazu kommen Toneffekte, die von allen möglichen und unmöglichen Gegenständen wie kaputten Akkordeons, Bierflaschen und einem fehlerhaftem Glockenspiel erzeugt wurden. Die Tonqualität spielt bei alledem nicht wirklich eine Rolle, wer braucht einen „g’scheiten“ Verstärker, wenn der Text im Mittelpunkt steht. Und der ist schon so dreckig, wüst und vulgär, das selbst eine gute Produktion daneben nicht bestehen könnte.

Aber wer hier den Eindruck bekommt, den Simmeringern wäre alles egal, der muss sich mal auf die Texte einlassen. Nicht umsonst waren die Rotzpipn die Überraschungsgewinner des Protestsongcontests 2012 und „betörten“ das Publikum mit “Hymne 2.0“, eine überspitzte Darstellung von Österreich. Nicht sehr schmeichelhaft im „Land der Kellerkinderzimmer, Stenzeltown und Komatrinker“ zu leben und sich mit „de amtsbekannten, promillenten Tschecharanten“ abgeben zu müssen, aber das ist ja auch zum Schmunzeln gedacht.

Im Übrigen ist „Hymne 2.0“ eines der Lieder auf dem Album, die die Bissigkeit der Rotzpipn auf den Punkt bringt. Aber auch „Die Moritat Von Der Schwarzen Maria“ ist eine starke Ballade, und zwar nicht im Sinne eines gefühlsgeladenen Piano-Songs, sondern  aufgrund der Erzählstruktur. Und, dass dabei Parallelen zu einer gewissen österreichischen Politikerin gezogen werden, passt perfekt ins Bild. Während man über diese kinderfressende Maria schmunzelt, liefert der nachfolgende Song „Beamtenmikado“ richtige Lacher. Ohne viel Refrain wird in Kabarettmanier von dem Alltag eines Beamten gewitzelt. Von der ersten Wurstsemmel in der Früh, über das Durchlesen der Kronen Zeitung bis hin zur Androhung „Won Ma heit no a Poa am Oasch gengan, don geh i nächste Wochn auf Kur“, wird einem ganz schnell klar, dass es „ein Staatsdiener schwer hat“.

Neben politischen Blödeleien, geht es die meiste Zeit um die Grundbedürfnisse Hunger („Frühstück Fia Wödmaster“), Durst („ Erisfett“) und Liebe bzw. Gemütlichkeit („Mama“ und „Bettlägerig“).  Die Reduktion auf die scheinbar einfachen Dinge des Lebens, erinnert nicht umsonst an die Kult-Sozi-Rocker Alkbottle. Sie beeinflussten nicht nur maßgeblich den Stil von Rotzpipn, sondern luden die Simmeringer 2008 ein, in dem Vorprogramm eines ihrer Konzerte zu spielen.

Auf „Im Pfusch“ gehen die vier Simmeringer ihren eigenen Weg, und das ist wahrlich kein sanfter und rücksichtsvoller. Beim gemütlichen Zusammensitzen à la Stammtisch liefert das Album aber garantiert neuen Gesprächsstoff und saftige Lacher. Ja auch laut CD-Begleitheft soll es „bei angemessener Lautstärke, in sympathischer Gesellschaft und freundlichem Ambiente“ genossen werden. Und das am besten mit einem Seidl in der Hand.

Anne-Marie Darok