M 185: Low resolution, high fidelity!

“Unser Projekt soll dadurch wachsen, dass es Leuten gefällt. Da gibt es nichts zu holen, nichts zu gewinnen.” M 185 üben sich in Understatement, wenn es darum geht, ihre Musik zu beschreiben. “So lange Spaß machen, so lange es Spaß macht” lautet das gemeinsame Credo. Das heißt, man trifft sich und tut das, was man am besten kann: man rockt. Dabei spielt Prinzip Zufall eine nicht unbedeutende Rolle. “Wias kummt!” eben. Im Entstehungsprozess der sechs Tracks sei man so vom Rock in die Elektronik abgedriftet, um dann wieder den Rock für sich zu entdecken!

Ihre Debut-EP haben sie in Eigenregie in Kleinstauflage von 500 Stück produziert -ausschließlich als Vinyl wohlgemerkt. Beim Kauf eines der edel designten Stücke bekommt man allerdings einen Code mitgeliefert, der zum Download aller Tracks als mp3-Files berechtigt. “Innovative Geschäftsidee” nennt man dergleichen. Und nicht nur deshalb, sondern vorwiegend wegen der außerordentlich stilsicheren Mischung aus Rock und Electronica, die an so manchen Release aus dem Hause Warp erinnert, hat man mittlerweile einen Vertrieb an Land gezogen (Trost) und ist auch medial in aller Munde. Im Cafe Prückel stellten sich Heinz Wolf und Martin Stöbich den neugierigen Fragen des mica.

“Du hörst ja sogar oft von Leuten, denen du eigentlich guten Geschmack zugetraut hättest, die Frage “Wann kommt jetzt die Stimme?” und dann kannst du eigentlich nur darauf antworten: “Wann glaubst du denn, dass die Stimme kommt?”

Wie lang macht ihr schon Musik?
Das Projekt “M 185” begann vor eineinhalb Jahren. Nach dem Pixies-Konzert im Rahmen des unseeleigen Aerodrome-Festivals haben wir kurzerhand beschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Angefangen hat es also zu zweit und erst als wir daran gingen, das Ganze auch live zu realisieren, kamen noch mal zwei dazu. (Sigi Ganhör und Chris Gusel). Davor gab es zwar laufend Projekte, über die Wahrnehmungsgrenze hinaus schaffte es allerdings keines davon. Musik allein am Laptop also – einfach nur, um Musik zu machen und ohne bestimmten Zweck.

Könnt ihr das Konzept eurer Debut-EP kurz beschreiben?
Wir haben 500 Stück auf Vinyl herstellen lassen. Die mp3s können über einen speziellen Code, der auf dem beigelegten Poster abgedruckt ist, downgeloadet werden. Wer die Platte kauft, bekommt auch den Donwload. Vinyl deshalb, weil wir vorrangig Platz fürs Artwork wollten; Bandmitglied Sigi Ganhör (Synth) macht auch die Grafik. Wenn du keinen Plattenspieler hast, ist aber auch nichts verloren. Dann kannst du dir die Platte anschauen und die Tracks downloaden.

Eine Frage der Philosophie?
Klar: wir machen´s nur, weil wir´s machen wollen. Vinyl ist einfach schöner, CDs haben keinen Wert mehr. Natürlich musst du auch die Leute befriedigen, die keinen Plattenspieler mehr besitzen. Schließlich hat nicht einmal Martin (Bassist, Anm.) einen. Zwar ist man eigentlich selber schuld, wenn man sich unterbuttern lässt. Aber man kann sich das Stück ja auch aufs Nachtkästchen stellen und die Tracks in den mp3-Player laden.

Wo sind eure “Soundscapes and Coincidences” erhältlich?
Die Platte steht in jedem Bundesland in ein oder zwei Läden. Am Anfang haben wir sie noch selbst vertrieben, mittlerweile hat sich ein Deal mit Trost ergeben. Wir waren einfach lästig genug. Beim Scout Niblett-Konzert im B72 haben wir Konstantin Drobil (Trost) angesprochen, ob man nicht ein paar unserer Platten in seinen Laden stellen könne. Überraschender Weise hat er gleich ja gesagt.

Und habt ihr mittlerweile auch welche verkauft?
Ja. Wir haben unsere Babys einfach ohne Werbung reingestellt und auf Anhieb auch einiges verkauft. Das war auch die Bedingung seitens Trost. Wenn wir bis jetzt nichts oder sehr wenig verkauft hätten, wäre das Album schon wieder aus dem Programm raus genommen worden. In die Bundesländer lieferten wir anfänglich selbst aus. Mittlerweile konnten wir den Bestand verdoppeln, was wir anfangs nicht annähernd zu wünschen hofften. Immerhin hast Du ja auch eine erstanden, sonst würden wir heute nicht hier sitzen und miteinander plaudern. Es läuft so ab: Trost kauft uns die Platten ab, am Jahresende wird abgerechnet. Jetzt wird schon halbjährlich abgerechnet – ein gutes Zeichen.

Kriegt man die LP in Deutschland?
Diverse Mailorder werden von Trost beliefert. Oder halt über unsere Website. Trost will ab Sommer auch außerhalb Österreichs beliefern. Japan ist unser nächste Ziel! Was die Medien anbelangt, haben wir Vinyl und mp3s verschickt und nachtelefoniert. Bis dato mit wenig Erfolg. Aber wir stehen erst am Anfang, sind sozusagen gerade erst aus dem Proberaum-Autismus ausgebrochen.

Fm4?
Die haben auch eine bekommen. Der Adressat hat keinen Plattenspieler, sich aber erkundigt, wie wir denn so klingen. Nach einer Beschreibung der Musik soll er bedauert haben, dass wir keine Stimmen einsetzen. “Schwierig!” Das wissen wir aber nur vom Hörensagen. Insgesamt werden wir wohl 30, 40 Stück Vinyl ausgeschickt haben, von fm4 bis Weltwoche. Bislang gabs nur eine Reaktion. Das Skater-Magazin “Glow In The Dark” hat gleich Kontakt aufgenommen, es gab eine Super-Review, wir waren sogar Tipp des Monats. “Im Sumpf” haben wir auch ein geschickt. Wir sind gespannt, ob eine Reaktion kommt.

Soundpark?
Nein, bewusst nicht. Soundpark ist an sich eine super Sache, aber faktisch eben auch ein mp3-Grab, eine Sackgasse. Es findet keinerlei Auswahl statt, das Angebot ist inflationär. Die Postings, der Erst-Benefit, interessiert uns eigentlich nicht. “Wo ist die Stimme?” oder “Drehts die Gitarre lauter”, das ist nicht unser Ding. “Super” oder “Weniger super”, das wars dann. Du hörst ja oft sogar von Leuten, denen du eigentlich guten Geschmack zugetraut hättest, die Frage “Wann kommt jetzt die Stimme?” und dann kannst du eigentlich nur drauf antworten: “Wann glaubst du denn, dass die Stimme kommt?” Lieber ist es uns, es gefällt jemandem auf einem Konzert als dass jemand postet. Das ist einfach kein direktes Erlebnis. Obwohl es schon wirklich gute Soundpark-Bands gibt: Microtonner zum Beispiel. Gitarre mit Noise und programmierte Beats. Aber anscheinend gibt es keinen Platz für so etwas und damit muss man sich abfinden. Das ist auch völlig okay so. Unser Projekt soll dadurch wachsen, dass es Leuten gefällt. Da gibt es nichts zu holen, nichts zu gewinnen. Wir machen das, weil es uns Spaß macht. Das Resultat ist nicht erste Priorität. Es wächst eh von selber.

Wie würdet ihr eure Musik bezeichnen? Als Rock, Elektronik?
Schwer zu sagen. Wenn wir anderen Leuten diese Frage stellen, bekommen wir immer lustige Sachen zu hören. Klingt wie.
Für uns ist das deshalb besonders interessant, weil es eine wirklich direkte Beeinflussung nicht gegeben hat. Wir sind einfach zusammen gekommen und haben gerockt. In einem zweiten Schritt haben wir dann die besten Parts der Jam-Sessions als Loops genommen und Track für Track an den einzelnen Loops gearbeitet – mit moduliertem Analog-Synth und Battery-Samples, die wir ins Keyboard klopften. Und erst viel später, als wir gemeinsam beschlossen haben, live zu spielen, sind die bearbeiteten Teile wieder in ein Band-Konzept eingepasst worden. Den größten Spaß haben wir im Proberaum, weil die Nummern einfach funktionieren.

Klingt wie. Was sagen die Leute denn?
Meistens kommt: “Nicht so wie irgendetwas was wir kennen.” Das freut uns natürlich. Das Absurdeste war: “Klingt wie eine Mischung aus T-Rex und Air.”

Mir sind als allererstes die Two Lone Swordsmen eingefallen.
Sehr nett, danke. Schmeichelnhaft war auch: Mischung aus Sonic Youth und Can.

Hab ich da nicht auch ein Sisters of Mercy-Sample gehört?
Wir verwenden keine Samples.

Wirklich? Überhaupt keine Samples?
Nein. Das war von Anfang an die Voraussetzung. Da haben wir uns selbst etwas eingeschränkt. Wir wollten keine Stimme und keine Samples. Nur das, was wir gespielt haben, keine fremden Sachen. Live wird da aber natürlich schon noch einiges kommen.

Die Art Bass zu spielen – ein bisschen monoton, düster, treibend – erinnert mich trotzdem stark an alte Sisters Of Mercy-Tracks.
Das ist sehr gut möglich. Einerseits habe ich (Martin Stöbich) früher sehr viel SoM gehört, andererseits ist die spezifische Art zu spielen auch durch mein Nichtkönnen bedingt (lacht). Low resolution, high fidelity!
Mit dem Sample meinst Du einen zarten Anleihe bei “Smells Like Teen Spirit”.
Die zwei letzten leeren Saiten, die angeschlagen werden. Und durch die Bass-Drum klingt das ähnlich wie das Riff für Smells like. Ist aber keine Absicht gewesen. Der SoM-Link gefällt uns besser.

War Krautrock ein Einfluss?
Nicht wirklich, aber Can ist auch genannt worden.

Psychedelik-Anklänge?
Wo?

In “Run” habe ich persönlich 60s-Psychedelik gehört. Aber wenn das alles tatsächlich nicht geplant ist, was waren dann eure Einflüsse? Irgendwelche muss es ja geben?
Eigentlich gibt es nur eine Band, bei der sich unsere Vorlieben und die Urteile der Hörer treffen: Sonic Youth. Vielleicht sind wir einfach zu schlecht, um zu kopieren. Einmal haben wir versucht, wie UNKLE zu klingen, haben es aber einfach nicht geschafft. James Lavelle hat natürlich auch studiotechnisch ein ganz anderes Niveau..

Stilistisch sind wir vom Rock in die Elektronik angedriftet, um dadurch wieder den Rock für uns zu entdecken. Vorher haben wir englischen Breakbeat und Diskoides gehört. Erst mit dem Gitarrenspiel ist es wieder gekommen, sich für Rock zu begeistern.

Deutsche Elektronik-Acts wie T-Raumschmiere oder Tiefschwarz, die aus der Elektronik-Schiene gekommen sind und den Rock wieder für sich entdeckt haben. Ist das euer Ding?
Gut, dass es das gibt, aber wir möchten es nicht gemacht haben.

Was macht ihr beide eigentlich “im wirklichen Leben”?
Heinz arbeitet im Marketing-Bereich bei departure (Wirtschaftsförderungs- und Servicestelle für in Wien ansässige Unternehmen der Creative Industries), Martin ist Fotograf.

Eure weiteren Pläne?
Wir versuchen jetzt erst mal die Platte an den Mann zu bringen. Was konkret dabei raus kommt, ist schwer zu sagen. Das hängt von vielen Zufallsfaktoren ab.daher auch der Titel “Soundscapes and Coincidences”.

Live?
Live ist viel geplant. Mitte April geht’s los mit Konzerten. Die Platte wird dabei ein wenig anders umgesetzt. Und wir wollen eine starke visuelle Komponente.

Seid ihr in der Szenen verwurzelt; irgendwo angedockt?
Nein, nicht wirklich. Seit einiger Zeit sind wir bei Popfakes (Veranstaltungs- und Konzertlabel, Anm.), wo auch Bands wie Nitro Mahalia oder Kreisky sind. Mit Kreisky sind gemeinsame Auftritte geplant. Sonst heißt es: live spielen und weiter aufnehmen.

Ihr habt euer eigenes Label “Threethirty”?
Genau. Labeltechnisch ist geplant, dass, sobald wir uns die Hörner abgestoßen haben, auch regelmäßig andere Bands releasen. Schönes Cover.
Vielleicht auch auf der A-Seite eine andere Band als auf der B-Seite, mal sehen.

Das DFA-Konzept?
Genau. Die mögen wir auch recht gern.

Wie wollt ihr das mit anderen Leuten auf die Beine Stellen?
Das soll auf Handschlag-Basis ablaufen. Es wird sicher nicht den klassischen Bandübernahmevertrag geben, den es in Österreich mittlerweile auch bei Kleinstlabels gibt. In solchen Verträgen steht meistens nicht einmal drinnen, dass das Label das Zeug überhaupt raus bringen müssen. Du unterschreibst, dass Du das Material und alle Rechte daran her gibst, verpflichtest dich für so einen Schwachsinn und dann werden tausend Stück verkauft. Das macht für niemanden Sinn. Für uns macht Sinn: 500 Stück einer nette Vinyl-Auflage zu produzieren und so lange Spaß zu haben, wie es Spaß macht. In guter alter Toni Wilson Factory-Manier. Gut, letzten Endes hat ihn das den Kopf gekostet, aber Spaß hatte er.

Und wenn jemand käme, der eure Sachen gern promoten würde?
Wir glauben nicht, dass das funktionieren würde. Wir persönlich haben dem System den Kampf angesagt. Wir wollen einfach das machen, was wir machen und geben unsere Sachen auch niemandem anderen. Wenn Du´s selbst machen kannst, wenn du es aufnehmen kannst, gemeinsam mit deinen Freunden zum Produkt bringst, mit guter Grafik versiehst, es dann mit guten Menschen wie den Trost-Leuten der Öffentlichkeit zugänglich machst und vielleicht auch noch 300 bis 400 Stück davon verkaufen und dabei machen kannst. was und wie du´s willst, ist das weit besser, als dich mit Leuten zusammen zu tun, die zwangsläufig wirtschaftlich denken müssen, weil Leute davon leben. Die erste Diskussion geht dann darum, warum da jetzt keine Stimme dabei ist. Darauf haben wir keine Lust. M 185 wird immer ein Nischenprodukt bleiben und so soll es auch sein. Unser Projekt soll dadurch wachsen, dass es Leuten gefällt. Da gibt es nichts zu holen, nichts zu gewinnen.

Was hat euch die Produktion gekostet?
Die Pressung hat 2.200 Euro gekostet. Dazu kamen noch Mastering- und Mixing-Kosten.Besonders schön war der Moment, als wir 205 Kilo Vinyl im Schenker-Lager bei Schwechat abholen durften. Als wir die Pakete bei Sonnenuntergang ins Auto luden – da fällt einem nur ein: “Das wars wert” und sonst nichts.

Wie war das Pixies-Konzert eigentlich?
Traurig, weil völlig unmotiviert. For the money! Trotzdem war es schön, sie mal live gehört zu haben. Vorher haben an diesem Abend die Toten Hosen gespielt. Und als die Pixies anfingen, war nur noch ein Drittel des Publikums da. Die Leute sind einfach gegangen. So viel dazu. Irgendwie war der Gig fehl am Platz, aber besser als die Pixies nie zu sehen (md)

Interview: Markus Deisenberger

M 185 sind Heinz Wolf an der Gitarre und Martin Stöbich am Bass: Live wachsen sie zum Quartett an. Sigi Ganhör steuert Electronics bei, Chris Gusel bedient das Schlagwerk.

 

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